Morde an Schamanen beschäftigen Peru
Von Hildegard Willer (KNA)
Lima (KNA)
Ihr Amt ist, zu heilen. Und sie starben eines gewaltsamen Todes. Bis zu 14 Schamanen wurden seit 2010 in Peru
ermordet, alle im Dorf Balsapuerto im Amazonas-Departament Loreto, drei
Bootsstunden vom Städtchen Yurimaguas entfernt im Nordosten des Landes.
Jetzt hat der peruanische Staatssekretär für Interkulturalität, Vicente Otta, in Lima eine rasche Aufklärung der Verbrechen angekündigt.Rund 5.000 Mitglieder zählt das Volk der Shiwa, aus dem die Heiler stammten. Wie alle 13 indigenen Ethnien des peruanischen Amazonasgebietes leben sie unter ärmsten Bedingungen. Schamanen oder Medizinmänner gehören seit jeher zur Kultur Amazoniens, sie verfügen über uraltes medizinisches und spirituelles Wissen. In sieben Fällen wurden die verstümmelten Leichen gefunden, sieben weitere Medizinmänner sollen erschlagen und in den Fluss geworfen worden sein; er trug die Toten fort.
Für die Mordserie macht Staatssekretär Otta den Vorsteher des Dorfes und dessen Bruder verantwortlich. Als Mitglieder einer evangelikalen Gemeinschaft würden sie die traditionelle Kultur der Shiwa als Teufelswerk ansehen und zu deren Ausrottung aufrufen, erklärte Otta in der Hauptstadt Lima. Auslöser der Gewalt sei eine Ankündigung der Schamanen gewesen, sich zu einem Verein zusammenzuschließen.
Amazonas-Experte und UN-Berater Roger Rumrill ist überzeugt, dass eine neue Hexenjagd im Gange ist. "Mit jedem Schamanen, der stirbt, stirbt ein Jahrtausende altes Wissen", sagt er. Rumrill sieht nicht nur religiöse Differenzen als Ursache für die Mordwelle. Die Medizinmänner müssten auch als Sündenbock herhalten für die schlechten Lebensbedingungen.
"Die Kindersterblichkeit im Amazonasgebiet ist sehr hoch, viele Kinder haben Darm- und Bronchialinfekte. Die Schamanen werden spät gerufen, können aber gegen Infektionen nichts ausrichten, ihr Spezialgebiet sind psychosomatische Krankheiten" erklärt Rumrill. Wenn die Kinder stürben, werde den Schamanen die Schuld gegeben - ähnlich wie bei Anklagen gegen Hexen in Europa.
Cesar Llanco ist Pastor der methodistisch-evangelischen Kirche und arbeitet mit evangelikalen Gemeinden im Amazonasgebiet zusammen. Für diese sei "die Auseinandersetzung mit ihrer Herkunftskultur kein Thema". Es sei schwer, die Frage der kulturellen Identität unter evangelikalen Christen Amazoniens überhaupt zu erörtern, meint Llanco. Denn der Übergang zum neuen, christlichen Glauben werde ja gerade als totaler Bruch mit der alten Kultur vermittelt. Deshalb gälten auch traditionelle Riten wie das Kauen von Kokablättern oder der Konsum des halluzinogenen Ayahuasca-Gebräus als teuflisch, so der Theologe.
Dass es zwischen evangelikalen Neubekehrten und traditionellen Heilern zu Gewalt und Mord gekommen sei, hat Cesar Llanco nach eigenem Bekunden allerdings noch nie erfahren. Nur will er erlebt haben, wie Anhänger einer bibelfundamentalistischen Gruppierung zum Sturm gegen die Schamanen und Hexer aufgerufen hätten.
Bisher blieben die gewaltsamen Auseinandersetzungen unter den Bewohnern im fernen, weiten Amazonasgebiet von peruanischen Behörden mehr oder weniger unbeachtet. Dies soll sich unter der seit zwei Monaten amtierenden Regierung unter Staatspräsident Ollanta Humala ändern. "Es darf nicht sein, dass einige Peruaner keinen Schutz des Staates genießen", erklärte Humala. Mit Sonderermittlern in Balsapuerto und mobilen Eingreifteams soll der peruanische Staat nun auch für die Indigenas im Amazonas-Gebiet ein neues Gesicht bekommen.
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