jueves, 24 de enero de 2008

Entwicklungshilfe

Letzte Woche erhielt ich wieder einen der Notanrufe: ob ich nicht Blut spenden könne, Rhesus negatives, für eine alte Frau, die auf eine Operation in einem Krankenhaus im Norden Limas wartet. Der Sohn der Patientin würde mich auch abholen und wieder nach Hause bringen. Natürlich sagte ich zu - wenn ich schon mal nur mit meinem Blut was Gutes tun kann, wie sollte ich mich da weigern ?
Am Donnerstag waretet pünktlich ein schrottreif aussehendes Auto mit Chauffeur auf mich - José hiess der Sohn der Patientin, der mit seinen Geschwistern seit Tagen auf der Suche nach Rhesus negativen Blutspendern war. "Ein einziger Neffe hatte die gleiche Blutgruppe, und wegen einer Tätowierung haben sie ihn nicht akzeptiert. Ich hätte ihn schlagen können, in dem Moment", erzählt José von der Mühe, passende Blutspender aufzutreiben. Und wegen des Autos solle ich mir keine Gedanken machen, das würde uns schon hinbringen. Sein letztes funkelnagelneues Auto sei ihm gestohlen worden, da fahre er doch lieber die Schrottkiste.

Aber nicht davon will ich berichten. Sondern von unserer Autofahrt Richtung Nordlima. Ein Stau nach dem anderen bot uns Gelegenheit zu einem intensiven Erfahrungsaustausch. Deutsche sei ich also, meinte José. Er habe auch Deutsche kennengelernt, als er in den 80-er Jahren in der Personalabteilung der Stadt Lima arbeitete. Damals sei der linke Alfonso Barrantes Bürgermeister gewesen. Aber zurück zu den Deutschen. Einen Willi und noch jemanden, sehr nette sympathische Leute. Für die deutsche Entwicklungshilfe hätten sie die Stadt beraten, um die Abfallbewirtschaftung Limas neu zu organisieren. Ich bin erstaunt, davon hatte ich nie gehört. Mit der Abfallentsorgung macht Lima heute nicht viel her. Und, mal ganz ehrlich, hat das Projekt etwas gebracht ?, frage ich meinen Chauffeur. José schaut etwas verlegen drein, wie wenn er damit ringt, ob er mir jetzt die Wahrheit sagen oder sie doch lieber beschönigen soll, weil er mich nicht beleidigen will. "Also ehrlich gesagt, war das alles für die Katz. Zuerst waren die Entwicklungshelfer sehr engagiert, wollten vieles ändern. Aber als sie gesehen haben, dass sie nicht weiterkamen bei den verkrusteten Verwaltungsstrukturen, haben sich ihre Aktivitäten immer mehr in die Hotels des schicken Viertels Miraflores verlagert. " Gesprächsrunden und Cocktails, auf denen man über Abfallbewirtschaftung und Armutsbekämpfung geplaudert habe, hätten dann die eigentliche Arbeit auf der Gemeinde ersetzt. Zu den Veranstaltungen seien dann die Sekretärinnen geschickt worden, damit jemand von der Stadt teilgenommen habe.
Aber das sei vor zwanzig Jahren gewesen, damals sei er auch noch Kommunist gewesen. Wie seine Mutter, die jetzt das Blut braucht. Die war Näherin in einer Fabrik und engagiertes Gewerkschaftsmitglied. Er, José, habe schon lange dem Kommunismus abgeschworen und glaube an den freien Markt. Ich solle mir doch nur das Angebot in den Kaufhäusern anschauen, die auch in den Armenvierteln nun aus dem Boden spriessen. Das habe es in den 80-er Jahren nicht gegeben. Ob es ihm selbst denn auch besser gehe ? Nein, er merke noch nicht viel davon , aber die Entwicklung brauche eben Zeit, das würde schon noch kommen.

miércoles, 16 de enero de 2008

Wunschmarkt - Feria de los Deseos







Das Neue Jahr 2008 habe ich mit einem Rundgang durch die „Feria de los Deseos“ begonnen - den Markt der Wünsche. Jedes Jahr nach Weihnachten kommen „Curanderas“ von den Hochanden nach Lima und bieten auf dem „Markt der Wünsche“ ihre Dienste an. Eine „Curandera“ ist eine Kräuterfrau, Heilkundige und Schamanin. Das Dienstleistungsangebot der Schamaninnen ist gross: sie lesen Dir die Zukunft aus Koka-Blättern oder vertreiben ein Trauma oder eine Krankheit dadurch, dass sie ein Ei über Deinen Körper streichen. Auch ein Meerschweinchen oder ein Gürteltier erfüllen diese Funktion: sie ziehen die schlechten Energien und Krankheiten vom Menschen ab. Als Schutz und Abwehr von zukünftigem Übel soll man sich mit einem Sud aus Heilblüten waschen, oder man kauft sich eines der unzähligen Amulette, die feilgeboten werden. Es gibt Amulette gegen und für alles: zum Schutz von Haus, Hof und Tier; zur Abwehr von Krankheit oder Diebstahl; um einen Menschen in sich verliebt zu machen oder um ein Liebespaar zu trennen. „ Du musst das Amulett an einem besonderen Platz bei Dir zu Hause aufbewahren“, erklärt die Verkäuferin. Im Grunde genommen handelt es sich hier um die Hausrats-, Unfall- und Krankenversicherung der Armen. Eine richtige Versicherung mit monatlichen Raten können sie sich nicht leisten, aber ein Amulett 50 Cent, das ein Jahr lang gültig ist – das liegt drin.

Beim „Markt der Wünsche“ in Lima vermischen sich altes Heilwissen mit Kommerz und billigem Aberglauben. Dahinter steckt jedoch eine alte Weisheit der Andenvölker: eine Krankheit ist selten nur körperlich bedingt, sondern ist durch ein Trauma oder einen Übeltäter ausgelöst. Als ich die Schamanin frage, ob sie den Husten eines 4-jährigen Mädchens kurieren kann, schaut sie mich verständnislos an: „ Sie meinen, ob man den Schrecken heilen kann“ – ein Husten ist eben nicht einfach ein Husten, sondern ein sichtbarer Ausdruck von etwas, was in der Seele nicht stimmt – und dies wiederum kann durch ein Trauma von aussen verursacht sein. Deswegen muss die Schamanin das Trauma wegnehmen. Vieles von der andinen Heilkunst würden wir heute unter dem westlichen Begriff „Psychosomatik“ fassen.

Aber das wichtigste ist der Glaube: so wie auch die Mutter Gottes in Lourdes nur denen hilft, die an sie glauben, so wird auch die andine Heilkunst nur denen helfen, die nicht von zuviel westlicher Skepsis befallen sind.

(aus meinem Rundbrief El Puente 12)