miércoles, 14 de julio de 2010

Peruanisch-brasilianische Stromrechnung



Die Geschichte zweier Präsidenten, die ihre Stromrechnungen ohne ihr Volk aufgemacht haben


Gross und massig schaut der eine väterlich auf den kleinen Kollegen mit dem grauen Vollbart hinab. Das tatsächliche Machtverhältnis zwischen Peru und Brasilien ist gegenläufig zur Statur ihrer Regierungschefs. Brasilien, vom klein gewachsenen Ignacio Lula de Silva geführt, ist die aufstrebende Grossmacht Amerikas, die den Takt vorgibt. Das Nachbarland Peru, vom fast 2 Meter grossen und mit dem Alter auch in die Breite gegangenen Alan García regiert, ist gegen Brasilien noch ein Entwicklungsland, das dank des weltweiten Rohstoff-Booms auf der Wachstumswelle mitschwimmt. Seinen Rohstoffen ist es auch zu verdanken, dass Brasilien und Perus Präsidenten so viel Wohlgefallen aneinander finden.

Angeblich soll Alan García den Vorschlag gemach haben. Das flache Brasilien müsse sein Wasser künstlich stauen, um Strom für seinen steigenden Bedarf zu erzeugen. Peru dagegen habe die Anden, das Wasser falle sowieso. Brasilien könne doch in den östlichen Andenabhängen Perus Wasserkraftwerke bauen, und den Strom dann aus Peru importieren. Zudem noch ein sauberes, umweltfreundliches Geschäft, zählt doch die Wasserkraft zu den erneuerbare Energieträgern. Die Studien lägen auch schon vor. In den 70-er Jahren, im Banne des ersten Erdölsboykotts der arabischen Staaten hatte die GTZ im Auftrag der Salzgitter AG sechs peruanische mögliche Standorte für Wasserkraftwerke abgeklärt. Die Gutachten lagen seitdem in der Schublade des Ministeriums und wurden flugs wieder herausgeholt.

Noch im Dezember 2009 reiste Lula nach Lima und unterzeichnete eine Absichtserklärung für ein brasilianisch-peruanisches Energieabkommen. Während die beiden Amtsträger sich in der peruanischen Hauptstadt als neue Integrationsträger Lateinamerikas feierten, gingen die Menschen in Puno auf die Strasse.

Brasilenhos fuera!

Die kleine Stadt Mazuko liegt am Kreuzungspunkt der Departamente Madre de Dios, Cusco und Puno. Auf der neu erbauten Schnellstrasse „Interoceánica“, die Brasilien und Peru und damit auch den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean verbindet, ist man hier in vier Stunden an der brasilianischen Grenze, und in weiteren zwei Stunden in Cusco. Nach Puno, der Stadt am Titicacasee, braucht der Bus dagegen noch 12 Stunden, wenn es regnet auch länger. Die Strasse, der vom Tiefland auf 4000 Meter hoch ruckelt, ist noch nicht asphaltiert. Soll es aber bald sein – wenn das nicht das neue Wasserkraftwerk dazwischen gekommen wäre. Beim Dorf San Gabán auf halber Strecke zwischen Mazuko und Puno soll der Fluss Inambari gestaut werden, 40 000 Hektar Land sollen dafür überschwemmt werden, damit der fünftgrösste Staudamm Lateinamerikas hier mit brasilianischen Geldern gebaut werden kann. Bis zu 6000 Personen wohnen hier – Kleinbauern und Goldgräber -, die umgesiedelt werden sollen. Und die geplante Strasse, die „Interoceánica“ – die soll auf 35 Kilometern überschwemmt und verlegt werden.
Rosario Linares ist Mitglied der „Sociedad Civil por la construcción de la Carretera interoceánica” SOCIT in der Departamentshauptstadt Puno und erbost darüber, dass Puno damit von den Segnungen des neuen Handelsweges abgeschnitten sein wird. Noch erboster ist sie und die gesamte Bevölkerung Punos allerdings darüber, dass Lima wieder einmal über ihre Köpfe hinweg bestimmt hat. Eines Tages erschienen die Ingenieure der neugegründeten Betreiberfirma EGASUR – hinter der sich die brasilianischen Grossfirmen Eletrobrás, Furnas und OAS verbergen – in den Dörfern um San Gabán und teilten der Bevölkerung mit, dass auf ihrem Land der grösste Staudamm Perus gebaut werden soll. Das Ministerium in Lima hatte die Konzession ohne Rückfrage mit den Betroffenen vergeben. Sie hatte sie, die Punenhos wieder mal verkauft, noch dazu an das Ausland. An Brasilien.
Schnell war im ohnehin nicht konfliktscheuen Puno das Thema „Inambari“ in aller Munde. „Brasilianer raus“ war auf den Hauswänden der von der Umsiedlung bedrohten Dörfer Lechemayo, Loromayo und Puerto Manoa zu lesen.. Während Lula und García in Lima ihre Absichtserklärung unterzeichneten, riefen die Punenhos zum Protestmarsch gegen Inambari, gegen den Entschluss der Zentralregierung und gegen den Ausverkauf an Brasilien auf.

Besuch des Hofstaates

Dabei hatte der Deal zwischen Lula und García gar nicht so schlecht augesehen. Brasilien baut mit eigenem Geld die für Peru unerschwinglichen Wasserkraftwerke auf peruanischem Boden– zuerst war von 6 Stück dei Rede – und betreibt sie. Peru hat Exporterlöse, kann seine eigene Energienachfrage bedienen und bekommt am Ende die Infrastruktur übereignet.
Dies sollte man doch auch den Bewohnern Punos erklären können, dachte der für die Stromerzeugung zuständige Vizeminister Daniel Cámac und machte sich auf den Weg nach San Gabán. Sein Besuch in San Gabán geriet zum Gesellenstück dafür, dass die Beziehungen zwischen der Hauptstadt und den Provinzen in Peru immer noch koloniale Gesichtszüge aufweisen.
Als der Vizeminister samt Beamtenapparat aus Lima in ihren Geländewagen in San Gabán ankam, wartet die Bevölkerung bereits auf dem Fussballplatz des Dorfes. Von der Tribüne herab sprach der Vizeminister vor allem darüber, dass er eigentlich noch gar nichts sagen könne, weil die entsprechenden Gutachten noch nicht vorlägen. Verantwortlich für die Gutachten sei das brasilianische Unternehmen. Das Publikum reagierte mit harscher Kritik und verbaler Aggression, wie sie in Puno gang und gäbe ist. Der Vizeminister bekam Angst vor seinem eigenen Volk und trat den Rückzug an. Noch bevor er alle Fragen beantwortet hatte, war er, umgeben von seinen Sicherheitsleuten, in seinem Geländewagen wieder abgebraust. Anstatt Fragen zu klären und in einen Dialog zu treten, hatte er die lokale Bevölkerung erst recht gegen sich aufgebracht.

Der fehlende Dialog zwischen Zentralregierung und lokaler Bevölkerung ist typisch für viele sozialen Konflikte, die die peruanische Gesellschaft ausserhalb der Hauptstadt heute prägen. Trotz vor 10 Jahren eingeleitetem Dezentralisierungsprozess, werden Konzessionen zur Ressourcenausbeutung weiterhin unilateral in Lima vergeben. Der auch von Peru unterzeichnete Artikel 169 der ILO-Konvention, der die vorherige Konsultation der indigenen Bevölkerung vorschreibt, wurde in Peru bisher nicht umgesetzt. Erst nach dem Massaker in Bagua am 5. Juni 2009, bei dem 22 Polizisten und 10 Zivilisten ums Leben kamen, kam eine Gesetzesvorlage über eine „consulta previa“, also der gesetzlich vorgeschriebenen Einbeziehung der lokalen, vor allem indigenen Bevölkerungm bei der Entscheidung über Rohstoffkonzessionen vors peruanische Parlament.


Schützenhilfe aus Lima

Im Februar 2010 schalteten sich die landesweit tätigen Umwelt-NGOs aus Lima in die Energiedebatte ein. In einem ersten öffentlichen Kommunique bemängelten sie vor allem die fehlende öffentliche Debatte und die Eile, mit der die peruanische Regierung das Energieabkommen mit Brasilien durchpeitschen möchte. Sie weisen darauf hin, dass Peru keinen nachhaltigen Entwicklungsplan für sein Amazonas-Becken hat, dass der Vertrag mit Brasilien zum Nachteil Perus geschlossen wird - indem die Energie ins Ausland verkauft wird, die das Wachstumsland Peru selbst benötigen wird. Die Umweltgefahren, die von Grossstaudämmen ausgehen, seien zudem gross: die Zerstörung der Biodiversität, aber auch die Erhöhung der Treibhausgase durch die Überflutung spricht der Mär von der „sauberen Energie“ Hohn.

Alle Einwände nutzte nichts. Der Energiehunger Brasiliens und der Wunsch Präsident Garcías, vor Ablauf seiner Amtszeit als Präsident der südamerikanischen Integration in die Geschichtsbücher einzugehen, waren stärker. Am 16. Juni unterzeichneten Lula und García in Manaos das Energieabkommen. Darin wird der Bau von Staudämmen zur Erzeugung von 6000 Megawatt Strom festgelegt. Peru verpflichtet sich damit, über 30 Jahre hinweg , mit Brasilien seinen Stromüberschüssen zu beliefern. Für Brasilien, das eben den Bau eines Megastaudamms zur Erzeugung von 10 000 Megawatt in Belo Horizonte, genehmigt hat, sind die peruanischen Staudämme mit je höchstens 2000 Megawatt nicht der Rede wert. In Peru jedoch fängt die Debatte darüber, welche Entwicklung für das Amazonasbecken wünschenswert ist und welches die Rolle der indigenen Völker dabei ist, jetzt erst an. Wenige Tage nach Unterzeichnung des Energieabkommens hat die peruanische Regierung Einspruch gegen das Gesetz der „vorherigen Konsultation“ erhoben. Die Regierung sperrt sich vor allem gegen ein mögliches Vetorecht der lokalen Bevölkerung bei der Ressourcenausbeutung.

Vizeminister Daniel Cámac beteuert zwar immer wieder, dass der Staudamm nur mit Zustimmung der Bevölkerung gebaut werden wird. Indes hat die Regierung ob ihres intransparenten Vorgehens bei der lokalen Bevölkerung kaum noch Glaubwürdigkeit. Dazu passt auch, dass sie eben die Genehmigung für die Gesellschaft EGASUR verlängert hat, ihre Studien fertig zustellen. Dies bedeutet nichts anderes, als dass das brasilianische Konsortium nun alle Anstrengungen daran setzen wird, die betroffene Bevölkerung in San Gabán– ca. 6000 Menschen – davon zu überzeugen, dass sie ihrer Umsiedlung zustimmen.

Ein Ende der Auseinandersetzung ist nicht abzusehen, schon gar nicht angesichts der bevorstehenden Kommunal- und Präsidentschaftswahlen. In Puno hört man des öfteren die Befürchtung, dass Inambari zu einem zweiten „Bagua“ werden könnte, dass es zu massiven Gewaltausschreitungen kommen könnte, wenn die Regierung nicht von ihrem Vorhaben ablässt.

Lula und García lassen sich davon – noch nicht – ihre gute Laune verderben. Vielleicht aber hat der brasilianische Präsiden gespürt – es wäre zu hoffen - , dass die Expansionsbestrebungen Brasiliens vielleicht auf das Wohlgefallen der Amtskollegen stossen. In den Augen vieler Peruaner jedoch nimmt das ehemals mit Samba und Fussball assoziierte Nachbarland immer mehr die Züge einer imperialistischen Grossmacht an, welche den Nachbarländern die Bedingungen diktiert.

(erschien gedruckt in ila Juli/August 2010)

lunes, 5 de julio de 2010

Landesverweis für langjährigen britischen Missionar

05.07.2010

Peru: Landesverweis für langjährigen britischen Missionar

Die Infostelle Peru unterstützt das umweltpolitisches Engagement
katholischer Ordensleute in Peru

Der 62-jährige Ordensbruder Paul McAuley soll nach 30 Jahren pastoraler Tätigkeit in Peru des Landes verwiesen werden. Das Mitglied des Ordens der De Lasalle-Schulbrüder erhielt die Anweisung des peruanischen Innenministeriums, binnen 7 Tagen das Land zu verlassen.
Die Informationsstelle Peru e.V. protestiert gegen diese Maßnahme der peruanischen Regierung und weist darauf hin, dass vermehrt kritische Ordensleute in Peru zur Zielscheibe der peruanischen Regierung werden.
Unterstützung für einen langjährigen Missionar
McAuley, ein britischer Staatsbürger, lebt seit 30 Jahren in Peru. Lange Jahre baute er eine Fe y Alegría-Schule in einem Armenviertel der Hauptstadt Lima auf, bevor Paul McAuley vor 10 Jahren im Amazonas-Tiefland eine neue Mission übernahm. In der Provinzhauptstadt Iquitos gründete er einen Verein zum Schutz der Umwelt , „ Red Ambiental Loretana“, und wurde schnell zu einer weit gehörten Stimme gegen die ungezügelte Ausbeutung des Amazonas-Beckens durch Holz-, Erdöl- und Erdgasfirmen. McAuleys Engagement hat wesentlich dazu beigetragen, dass eine Abholzungskonzession 2004 vom peruanischen Verfassungsgericht widerrufen wurde und dass ein kürzlich gefundenes Leck der argentinischen Erdölfirma Pluspetrol publik wurde.
Dieses umweltpolitische Engagement kostet ihm nun die Aufenthaltsgenehmigung: Nach Angaben des Innenministeriums agiert McAuley entgegen seiner Aufenthaltsgenehmigung als katholischer Ordensmann. Durch seine Tätigkeit würde er die Sicherheit des Staates, die öffentliche Ordnung und die Landesverteidigung gefährden. Laut peruanischem Gesetz hat John McAuley nun 7 Tage Zeit, um Peru zu verlassen.
Auch andere Priester und Ordensleute gefährdet
Hintergrund der Ausweisung eines langjährigen verdienten katholischen Missionars ist die Priorität der peruanischen Regierung, die Rohstoffe des Landes ungezügelt und unter Missachtung der Rechte der indigenen Bevölkerung auszubeuten. Immer wieder kommt es deswegen zu gewaltsamen Konflikten – am 5. Juni 2009 kamen bei der Kleinstadt Bagua 33 Menschen bei einem Zusammenstoss zwischen Indigenen und Polizei ums Leben.
Das umweltpolitische Engagement peruanischer Ordensleute und Bischöfe auf der Seite der indigenen und lokalen Bevölkerung ist der peruanischen Regierung dabei ein Dorn im Auge. Mehrmals wurden die Bischöfe Daniel Turley (Chulucanas), José Luis Astigarraga (Yurimaguas) und der Jesuit Francisco Muguiro aus Jaén öffentlich als „falsche Christen“ beschimpft und sogar legal wegen Volksverhetzung angeklagt. Da Astigarraga und Muguiro gebürtige Spanier sind bzw. der US-Amerikaner Turley inzwischen peruanischer Staatsbürger ist, konnte die Regierung sie nicht ausweisen lassen. Gegen den Pfarrer der Gemeinde Barranquita in der Prälatur Yurimaguas, den ialienischen Passionistenpater Mario Bertolini, dagegen läuft ebenfalls ein Ausweisungsverfahren. Mario Bertolini hat sich auf der Seite der Kleinbauern gegen die Vergabe einer Konzession zum Anbau von Agrartreibstoff an die größte Unternehmerfamilie Perus gestellt.