viernes, 18 de febrero de 2011

Die Unvollendete am Madre de Dios





Im Herzen Südamerikas geht eine stille Revolution vor sich. Noch bis vor wenigen Jahren waren die Amazonas-Regionen von jedem staatlichen Entwicklungsbestreben weitestgehend unbelastet. Peru schaute zum Pazifik, Brasilien hat seine Grosstädte alle an der Atlantikküste. Die Amazonasgegend galt als unzugänglich, für die einen paradiesisch, für die anderen voller Tücken. Auf jeden Fall eine Gegend voller schwer hebbarer Naturschätze, die nur dem waghalsigen Abenteurer als Belohnung winkten.
Bis sich die Weltachse nach Süden verschob. War früher das lateinamerikanische Augenmerk nach Norden Richtung USA gerichtet, so richtet es sich jetzt nach Brasilien einerseits und nach China andererseits. Zwischen beiden liegt der Pazifik, die Andenkette und ...... das Amazonasgebiet. Heute muss man kein Abenteurerblut mehr haben, um das Amazonasgebiet zu erkunden. Neue Schnellstrassen gewähren die schnelle Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik, und sorgen dafür dass auch bald chinesische Rinder sich an brasilianischem Soja mästen.
Wenn man heute auf der "Interoceánica" von Rio Branco im brasilianischen Bundesstaat Acre ins angrenzende Departament Madre de Dios nach Peru fährt, so kann man das im klimatisierten Reisebus tun, der an eingezäunten Rinderfarmen entlangzuckelt, die mich schon fast ans heimatliche Allgäu erinnern.

Nur der Fluss "Madre de Dios" scheint sich seiner verkehrstechnischen Erschliessung mit aller Macht zu widersetzen: die Hängebrücke über den Fluss "Madre de Dios" ist auch nach 6 Jahren Bau noch nicht fertig. Das letzte Missgeschick: die Streben, an denen die Brücke aufgehängt werden soll, zeigte Risse. Nun studieren die Ingenieure ihre Pläne, der Bau steht solange still und die Brücke hängt, unvollendet, wie von Fäden gehalten, über dem "Madre de Dios" Fluss.

Am Rio Madre de Dios ist die Amazonas-Autobahn erst mal zu Ende. Abrupt kommt die Modernisierung zum Stillstand, und das Tempo wird wieder von dem gemächlich vor sich hin treibenden Fluss vorgegeben. Jeder Baumstamm, jeder Lastwagen und jede Maschine müssen auf zusammengebastelten Fähren einzeln über den Fluss geschippert werden . Die Fährschiffer sind barfüssige Jungs, die zwischen zwei Fahrten, oder auch mal während der Fahrt, ihren kleinen Aussenbordmotor und die Schiffsschrauben reparieren. Um die wartenden Lastwagenchauffeure hat sich eine lebhafte Versorgungs- und Kleinhändlerclique gebildet. Da man sowieso hier warten muss, kann man auch essen, ein paar Bierchen trinken, aufregen nutzt nichts. Die durch die unvollendete Brücke vorgegebene Entschleunigung führt abrupt in eine andere Welt, eine, in der Zeit-Ersparnis vollkommen bedeutungslos wird.

Allerdings: wenn die brasilianisch-peruanische Integration in dem Tempo weitergeht, dann müssen die chinesischen Rindviecher noch lange auf ihr Futter aus Brasilien warten!

martes, 8 de febrero de 2011

Limas Taxifahrer: eine Hommage

Ich glaube, es war der argentinische Chronist Martín Caparrós, der die Taxifahrer einst als den letzten Rekurs des mittelmässigen Journalisten bezeichnete. Sprich des Journalisten, der als einzige "Volkes Stimme" die des Taxifahrers vernimmt, der ihn vom Flughafen ins Luxushotel bringt. Mit anderen Worten: jede Journalistin, die etwas auf sich hält, sollte sich hüten, den Taxifahrer zu zitieren. Ich tue es dennoch. Denn die Taxifahrer in dieser Millionenstadt sind ein Grund, warum ich zurückgekehrt bin. Sie verlangen humane Preise, haben allen Langmut der Welt und sind unterhaltsamer als jede Telenovela.
Heute nahm ich gegen halb acht uhr abends ein Taxi in den weit entfernten Stadtteil Miraflores. Der erste Taxifahrer, den ich anhielt, ein älterer, rundlicher Mann, wollte nicht mit sich handeln lassen, wie es sonst üblich ist. Der Preis war aber vernünftig, und ich stieg ein. "Ach Senhorita, wenn Sie wüssten, wie ich diese Arbeit hasse", seufzte der Taxifahrer auf einmal. Seit 42 Jahren fahre er schon Taxi, und er hasse es; jeden Tag, von Sonntag bis Sonntag, sitze er 12 Stunden und mehr im Taxis. "Ich habe einfach keine anderen Talente", sagt er. Oder doch: "ein grosses Herz habe ich , ich kann niemandem böse sein". Dann erzäht er mir von seinem Missgeschick: vor zwei Jahren wurde ihm sein nagelneues Auto geklaut. Heute arbeitet er immer noch dafür, den Kredit abzubezahlen. 400 Dollar im Monat muss er noch ein Jahr lang dafür zusammenfahren.
Während wir im Feierabendstau stehen, erzählt er mir von seiner Frau, dass sie eine gute Ehe führten, dass sie aber etwas streng sei, dass sie schon 13 Operationen hinter sich habe, unter anderem eine Totaloperation, und dass er sie morgen zur Mammographie fahren wird.
Zwei Töchter hat er auch, sie sind sein ganzer Stolz. Weil das Geld nicht reichte, mussten sie mit dem Jurastudium aufhören, aber dafür hat die Älteste, eine 26-jährige, nun einen ernsthaften Heiratsanwärter gefunden. Einen Offizier. "Vor vier Wochen hat er mich ganz förmlich gefragt, ob er meine Tochter besuchen dürfe", und seitdem sind die beiden ein Paar.
Als wir endlich in Miraflores ankommen, kenne ich seine ganze Familiengeschichte, nur nicht seinen Namen. "Ach, wie ich diese Arbeit hasse", seufzt er nochmal, steckt meine 12 Soles ein und macht sich auf die Suche nach dem nächsten Kunden. Und ich bin immer noch gefangen von seiner Geschichte und es ist mir absolut egal, ob sie wahr ist oder nicht.

domingo, 6 de febrero de 2011

Lima reloaded 2011

Immer noch ist Lima die energiegeladene, chaotische, manchmal auch enervierende Millionenstadt, die ich vor zweieinhalb Jahren verlassen habe, und in die ich nun zurückgekehrt bin. Ein paar Dinge haben sich jedoch geändert. Da sind zum einen die 10- 20stöckigen Hochhäuser, die allenthalben gebaut werden. Es scheint, ganz Lima hat bisher im Zimmerchen bei Eltern und Grosseltern gehaust, und jetzt, wo die Wirtschaftslage besser ist, erfüllt sich jeder, der kann, den Traum von der eigenen Wohnung. Und da Lima nicht mehr in die Breite wachsen kann, wächst es nun in die Höhe. Hoffen wir, dass die Häuser auch erdbebensicher sind, denn das nächste Erdbeben kommt hier bestimmt.

Ganz allgemein merkt man den Leuten ein neues Selbstbewusstsein an. Noch vor einigen Jahren hatten viele Peruaner diesen "wir sind so arm" Diskurs drauf. Das ist heute nicht mehr so evident: ein seit 10 Jahren anhaltendes Wirtschaftswachstum hat den Leuten das Gefühl gegeben, es gehe aufwärts. Auch der Siegeszug der peruanischen Gastronomie hat dazu beigetragen. Und seit Dezember 2010 hat Peru auch noch einen Nobelpreisträger aufzuweisen, den Schriftsteller Mario Vargas Llosa. Fehlt nur noch, dass die peruanische Fussballnationalmannschaft sich für die nächste WM qualifiziert, und der Nationalstolz ist nicht mehr zu übertreffen.

Ein weiteres Indiz, dass viele Leute heute nicht mehr nur ums Überleben kämpfen: auf einmal wird der chaotische, überfüllte und luftverschmutzende Verkehr Limas zum öffentlichen Thema. Die Luft- und Lärmverschmutzung, das Fehlen öffentlicher Grünflächen und Naherholungsgebiete - all das sind heute öffentlich brisante Themen. Die neue Oberbürgermeisterin Susana Villarán hat denn auch nach ihrem Amtsantritt im Januar als erstes weitere Kleinbuslinien verboten und die geplante Industrialisierung eines Naherholungsgebietes zurückgezogen. Vielleicht wird Lima so bald nicht nur eine energiegeladene und adrenalintreibende, sondern auch eine wohnenswerte Stadt.

Dass dies auch heisst, neue Rücksichten zu nehmen und alte Gewohnheiten abzulegen, erfahre ich am eigenen Leib. Als ich mich, in alter Gewohnheit, an den Strassenrand stellte und einen Kleinbus aufhalten wollte, hielt einfach keiner an. "Die dürfen nur mehr an Haltestellen halten", erklärte mir ein netter Mitbürger die neue Verordnung. Leider konnte er mir nicht sagen, wo denn die nächste Haltestelle sei.....