sábado, 17 de mayo de 2008

Volksgericht l



An Tauccamarca erinnere ich mich, als ob es gestern geschehen wäre. Am 22. Oktober 1999 ereignete sich im Andendorf Tauccamarca eine Tragödie. 44 Schulkinder hatten aus Versehen mit ihrer Schulmilch ein hochgiftiges Pflanzenschutzmittel eingenommen. 24 der Kinder starben, die anderen leiden bis heute an den Spätfolgen. Der Tathergang war schnell rekonstruiert: es war eine tragische Verwechslung von Milch- und Pestizidtüte. Der Inhalt der Tüte dagegen war brisant. Es handelte sich um das hochgiftige Paration. Und dieses Produkt wurde in Peru von der deutschen Firma Bayer vertrieben. Der Vertrieb und Verkauf waren nach der peruanischen Gesetzgebung legal - aber die Handhabung des Vertriebs wies einige Nachlässigkeiten auf. Die Paration-Tüten wurden auch in den Quechua-sprachigen Gebieten Perus nur in spanisch ausgezeichnet. Viele der Bauern in Dörfern wie Tauccamarca können ausserdem nicht lesen und schreiben. Das Paration wurde so locker vertrieben und verkauft, als ob es sich um Milchpulver handelte.
Die Opfer der Tragödie verklagten damals die Firma Bayer auf Schadenersatz. Die Klage wurde vom peruanischen Gericht aus formalen Gründen abgelehnt und Bayer hat nie eine Mitverantwortung an der Tragödie eingestanden. Die Eltern der toten Kinder warten bis heute auf eine Wiedergutmachung, sowohl vom peruanischen Staat wie von der Firma Bayer.

Ihr Fall ist einer von 20 Fällen, die vor das Tribunal der Völker gebracht wurde, das während des Alternativgipfels tagte. 20 multinationale Unternehmen europäischer Herkunft wurden wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt. Bayer befindet sich in guter Gesellschaft. Angeklagt sind u.a. die Schweizer Syngenta wegen ihres Umgangs mit Demonstranten in Brasilien; das norwegische Agroexportunternehmen Camposol wegen gewerkschaftsfeindlicher Politik in Peru; die spanische Erdölfirma Repsol wegen ihres Vorgehens gegen indigene Gemeinschaften in Argentinien, Ecuador und Brasilien.

Das Tribunal der Völker ist eine Initiative der italienischen Linken aus dem Jahre 1976, die damit die Tradition der Russell-Tribunale gegen den Vietnam-Krieg wieder aufgriff. Seitdem hat dieses inoffizielle Gericht vielmals getagt und moralische Urteile ausgesprochen, zuletzt in Bogotá zum Thema der Rechte der indigenen Völker in Kolumbien.
Zusammengesetzt ist das Gericht aus 5 europäischen Politikern und Aktivisten, sowie 7 Vertretern der lateinamerikanischen sozialen Bewegungen oder linker Parteien.
Vorsitzender des Gerichtes in Lima ist der belgische katholische Priester und emeritierte Soziologie-Professor Francois Houtart. "Sowohl der Alternativgipfel wie auch das Tribunal der Völker geben jenen eine Stimme, die auf dem Gipfel der Präsidenten nicht anwesend sind", meinte er auf unsere Fragen. Das Tribunal der Völker sei ein Meinungstribunal und erlasse moralische Urteile, die von der öffentlichen Meinung aufgenommen werden.
Was damit geändert werden könne ? "Natürlich können und sollen die Unternehmen ihre Praktiken ändern, aber im Grunde genommen geht es um die Logik des Systems, das die Natur und die Arbeit zerstört".
Besonders beeindruckt hat Francois Houtart der Fall der spanischen Erdölfirma Repsol. Sie ist in vielen lateinamerikanischen Ländern aktiv und hinterlasse überall die selben Probleme: Verschmutzung der Umwelt und Vertreibung indigener Gemeinschaften.

Das Gericht verurteilte denn auch das Verhalten der Unternehmen, welches von den Staaten und den internationalen Institutionen gedultet würde. Insofern fordert es die Staaten der Europäischen Union auf, verbindliche Verhaltensregeln von ihren privaten Unternehmen einzufordern.
Als konkrete Massnahme fordert das Gericht ausserdem, dass die UNO einen Sonderberichtserstatter zu Verletzungen gegen die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte einsetze.

Victoriano Huarayo aus Tauccamarca hat zwei seiner Kinder durch den Unfall verloren. Tapfer hält er am Eingang der Technischen Universität sein Schild hoch, auf dem er die Firma Bayer dazu auffordert, ihre Verantwortung einzugestehen. Das Urteil des Tribunals der Völker ist ein kleiner Schritt hin dazu, dass sein Schicksal nicht vergessen wird.

1 comentario:

Jutta Krawinkel dijo...

Hallo Hildegard:

ich habe mal in meinem blog auf deine Hintergrundinfo zum Fall Bayer verwiesen :-) So ergänzen wir uns prächtig man muss ja nicht alles doppelt schreiben. Ist schon eine feine Sache diese Blogs...

Bis bald, Jutta