Neues Mitspracherecht für Indigene in Peru wird zum Zankapfel
Von Hildegard Willer (KNA)
Lima (KNA)
"Bist Du ein Indigena", oder gar: "bist Du ein Indio?" Wer diese Frage einem Peruaner stellt, wird sehr wahrscheinlich ein empörtes "Nein" zur Antwort bekommen. Nur in der Touristikwerbung werden Peruaner
als bezopfte, barfüßige Lamatreiber dargestellt, als stolze Nachfahren
der Inka. Die Realität ist eine andere: Zwar gibt es kaum einen Peruaner, der nicht auch indigene Vorfahren hat; aber stolz darauf durfte er bislang nicht sein. Das könnte sich jedoch bald ändern.Künftig muss der peruanische Staat die indigenen Völker befragen, bevor er auf ihrem Gebiet ein Projekt umsetzen will. Das Gesetz zur Konsultation hat der frisch amtierende Präsident Ollanta Humala Anfang September verkündet. Das Ziel: den sozialen Frieden im Land wiederherzustellen. Denn bislang werden indigene Dorfgemeinschaften in den Anden und im Amazonasgebiet vor vollendete Tatsachen gestellt, wenn ihr Terrain für ein Bergwerk, eine Erdölbohrung oder ein Wasserkraftwerk genutzt wurde. Das eigenmächtige Vorgehen der Regierungsbeamten aus der Hauptstadt Lima im Verbund mit privaten Investoren führte zu mehr als 200 teils gewaltsamen Protesten im ganzen Land.
Kein Wunder, dass bei den Umsetzungsbestimmungen des neuen Gesetzes jeder ein Wörtchen mitreden möchte: die Indigenas ebenso wie die Unternehmen oder die verschiedenen Ministerien. Betraut mit der Ausarbeitung wurde eine auch in Deutschland bekannte Peruanerin: die afroperuanische Sängerin und neue Kulturministerin Susana Baca. In ihrem Ministerium sind die Indigena-Behörde INDEPA wie auch das Staatssekretariat für interkulturelle Angelegenheiten angesiedelt. Deren Leitern, die mit der Erarbeitung der Ausführungsbestimmungen beauftragt waren, hat Baca vor einer Woche kurzerhand den Laufpass gegeben.
Die Gründe dafür sind vielfältig; die Maßnahme zeigt aber, wie sensibel das Thema in der peruanischen Öffentlichkeit ist, noch bevor das Gesetz überhaupt in Anwendung kommt. "Das Wichtigste ist, dass wir in Peru eine starke Indigena-Behörde schaffen", kommentiert Rocio Silva-Santisteben vom Dachverband der peruanischen Menschenrechtsgruppen. Diese setzen sich seit Jahren für die Rechte der Indigenas gegenüber den Bergbau- und Erdölfirmen ein - und feiern das neue Gesetz als eine wichtige Errungenschaft.
Eine der ersten Aufgaben wird sein, überhaupt ein Verzeichnis der Indigenas in Peru zu erstellen. Bislang gibt es etwas Ähnliches nicht. Denn vor 40 Jahren schaffte eine linke Militärregierung die Kategorie "Indigena" kurzerhand ab und erklärte alle Landbewohner zu sozialistischen Bauern.
Dabei sind die "Bauern" oder "Indigenas" in Peru äußerst vielfältig. Von rund 15 nicht kontaktierten Indigena-Völkern im Amazonas bis zu den Nachfahren der Ureinwohner im Norden Perus, die ihre ursprüngliche Sprache und viele Sitten längst verloren haben, reicht die ganze Bandbreite peruanischer "Indigenas", die mit dem neuen Gesetz ein wichtiges Machtinstrument in die Hand bekommen. Nicht nur die Indigenas, sondern auch Privatinvestoren warten ungeduldig darauf, wie es nun umgesetzt wird. Am 10. Januar will der neue Staatssekretär für interkulturelle Angelegenheiten die Umsetzungsbestimmungen vorlegen.
In Peru boomt die Wirtschaft - dank der Rohstoffexporte. Peru gehört zu den großen Goldförderländern und ist attraktiv für Investoren, denen Europa oder die USA inzwischen zuwenig Rendite bieten. 42 Milliarden US-Dollar internationales Kapital warteten darauf, so die peruanische Tageszeitung "La Republica", sich in einer peruanischen Gold- oder Kupfermine wundersam zu vermehren.
Die Indigenas, bislang Bürger zweiter oder dritter Klasse, haben es nun in der Hand, diese Investitionen wenn nicht zu kippen, so doch zumindest zu verzögern. Schon möglich, dass in einigen Monaten mehr Peruaner als bisher auf die Frage, ob sie Indigenas seien, mit einem stolzen "Ja" antworten.
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