miércoles, 30 de junio de 2010
Warnung: Goldfieber
Peruanisches Hauptland der Biodiversität nennt sich stolz die Provinz Madre de Dios im peruanischen Amazonasbecken, an der Grenze zu Brasilien. Hierher kommen Touristen aus aller Welt um in Öko-Lodges einen Hauch unberührten Urwalds zu erleben, um Papageien, Schildkröten oder ein Ozelot in freier Wildbahn zu sehen. Dass für die Reise nach Madre de Dios eine Gelbfieberimpfung vorgeschrieben ist, erhöht den Reiz des kalkulierten und abgesicherten Abenteuers.
Den meisten Touristen, die in der Hauptstadt Puerto Maldonado ausgerüstet mit den neuesten Überlebens-Gerätschaften aus dem Globetrotter-Katalog eintreffen, bleibt verborgen, dass das eigentliche Fieber, das in Madre de Dios grassiert, nur die Farbe mit dem Gelbfieber gemeinsam hat. Das Goldfieber ist in ganz Peru ausgebrochen, und die abgelegene Selva-Region Madre de Dios ist das wörtliche „El Dorado“ der peruanischen Abenteurer ohne Reiserücktrittsversicherung.
In Madre de Dios arbeiten mindestens 20 000 illegale und kleine Minenarbeiter und erwirtschaften 6% des PIB Perus – all dies im Rahmen der Illegalitaet und auf Kosten der Umwelt.
Lange Zeit hatte die Politik in Lima die Augen verschlossen vor den Umweltverwüstungen des illegalen Bergbaus. Madre de Dios und andere abgelegene Goldabbaugebiete waren Niemandsland, Wilder Westen, wo nur das Recht des Stärkeren gilt, und wo der eine oder andere Hauptstädtler sich insgeheim am Goldboom beteiligte. Bis der erste Umweltminister Perus, Antonio Brack, im Februar 2010 die Sache in Angriff nahm. Ein Regierungserlass, Decreto de Urgencia -012 , verbot die sogenannten „Dragas“, schwimmende Goldgräberfabriken auf den Flüssen, und kündigte die Legalisierung der Schürfrechte und die Zonifizierung des Gebietes an. Während der Erlass in der Hauptstadt und bei Umweltschützern auf Wohlgefallen stiess, löste er in Madre de Dios und in den restlichen informellen Bergbaugebieten Perus tagelange Proteste aus, die 6 Todesopfer forderten.
Ein Augenschein in Huepetue, dem Hauptgoldgräbergebiet in Madre de Dios, mag veranschaulichen, worum es in diesem Streit geht.
Unterwegs nach Huepetue
In Mazuko scheidet sich der Weg zwischen der neuen Interoceánica, die ins peruanische Hochland führt, und dem Weg ins Niemandsland. Nach Huepetue, das grösste Goldgräbergebiet in Madre de Dios, gefürchtet und berüchtigt. Am Flussufer des Inambari herrscht reger Verkehr. Kleine Motorboote bringen die Leute über den Amazonas-Zufluss, um von dort eineinhalb Autostunden nach Huepetue weiterzufahren. Name und Ausweisnummer werden gewissenhaft in ein altes Schulheft eingetragen, bevor die Fahrt im windschiefen Boot losgeht, „für den Fall, dass jemand ertrinkt“, lautet die Auskunft. Im Boot junge und ältere Männer mit indianischen Gesichtszügen, das heisst, sie kommen aus dem Hochland Perus. Hier fahren keine ausländischen Touristen und Journalisten sind auch nicht willkommen. Mein Gegenüber im Boot, ein sehniger, kleiner Mann um die 50 taut erst auf, als ich ihm versichere, dass ich weder eine „ambientalista“ also Umweltschützerin sei, noch einer ONG angehöre. Erst als ich ihm erzähle, dass ich, wie er, auf der Suche nach einem Goldkorn bin, nämlich nach einer Story, die ich verkaufen kann, tauen seine Mundwinkel auf. Nicht eigennützige Motive sind hier per se verdächtig.
Am anderen Ufer, wartet eine Reihe von Toyota-Pick-Ups, um die Goldgräber nach Hupetue zu bringen. Eineinhalb Stunden rumpeln die Geländewagen durch grüne Landschaften, bis sich auf einmal eine Wüstenlandschaft auftut. „ Hier beginnt Huepetue, das Goldgräbergebiet“, sagt mein Mitfahrer Alonso, ein 20-jähriger Mann aus einem Dorf bei Cusco, der nun schon zum zweiten Mal ins Tiefland kommt, um „irgendwo ganz hinten“ nach Gold zu graben. Da wo ihm die Goldbarone ein Stückchen Erde zum Goldwaschen abgeben.
Der Fluss Huepetue existiert nicht mehr. Statt seiner fahren wir durch eine kilometerlange Kies- und Lehmgrube, durch die sich kleine Rinnsale drängen, die einstmals den Fluss ausmachten.
Das Gold wird von den Flüssen die Anden herabgeschwemmt. Der Flussand und die angrenzenden Ufer bergen den begerten Rohstoff. Goldbergbau in Madre de Dios findet deshalb nicht im Tagebau, sondern am Fluss oder in der Nähe des Flusses statt. Der Fluss- und Ufersand wird umgegraben, angrenzende Wälder werden dazu einfach abgeholzt. 150 000 Hektar Amazonas-Wald sollen für das Gold schon ihr Leben gelassen haben, nach Zahlen des peruanischen Umweltministers.
Auf einer Schütte wird der ausgebaggerte Sand getrennt. Der grobe Kies wird wie Abfall auf einen Haufen getürmt, im Feinsand dagegen finden sich die begehrten Goldsplitter. Dieser wird anschliessend mit Quecksilber (im Verhältnis von mindestens 2:1 Quecksilber zu Sand) vermischt und damit das Gold geschieden.
Wieviel Quecksilber in Madre de Dios unterwegs ist, bereits die Flüsse verseucht und die Gesundheit der Minenarbeiter gefährdet, weiss wohl niemand.
Unter informellen Bergleuten stellt man sich gemeinhin, einen armen Bauern vor, der mit seinem Pickel in einen aufgelassenen Stollen geht, oder mit seiner Schaufel den Flusssand umgräbt. Weit gefehlt. Die sogenannte „mineria artesanal“ in Madre de Dios ist längst schon nicht mehr Handarbeit, sondern in verschiedenen Graden industrialisiert. Die kleinen Bergleute kaufen sich eine sogenannte „Chupadera“, ein dieselgetriebenes handliches Gerät, das den Flusskies ansaugt, auf einen Haufen wirft, wo danach der Feinsand und das Gold geschieden werden. Grosse Investoren – und davon soll es einige geben – betreiben die sogenannten „Dragas“, schwimmende Kiesfabriken, die sich auf den Urwaldflüssen frei hin und her bewegen.
Andere arbeiten mit grossen Lastwagen und Schaufelbaggern. So wie die Goldbarone von Huepetue.
Die Goldbarone von Huepetue
„Die sind nicht gerade gut zu sprechen auf Leute von aussen“, warnt der Bürgermeister von Huepetue, bevor er mich mit einem Taxifahrer losschickt, mein Glück zu versuchen. Ich möchte einen der Goldbarone besuchen. Daniel, der Fahrer des Pick-ups, kennt sie alle persönlich, und will mich zur Familie Huaranho bringen. Auch hier die kilometerlange Fahrt durch Kiesgruben, Flüsse die sich als Rinnsale durch ausgedehnte Lehmwüsten schlängeln, da wo vor nicht langer Zeit Amazonaswald und ein reissender Fluss war. Die Claims hier wurden von Leuten aus dem Hochland bereits vor Jahren abgesteckt. Heute sitzen sie auf ihren Kiesgruben und bewachen ihr Gebiet. Goldgraben ist hier Familiengeschäft. Und einige Familien sind sehr sehr mächtig. Sie wohnen auf ihrer Goldgrube, oft schwer bewacht. Nicht von der Polizei, sondern von ihren eigenen Security-Leuten. Rund herum geschäftiges Treiben von grossen Lastwagen und Schaufelbaggern, die die Erde umgraben. Dennoch wurde vor zwei Wochen das Camp einer der Familien überfallen, 15 Kilo Gold haben die 10 maskierten Räuber entwendet, erzählt Daniel. Das sind immerhin 1,5 Millionen Dollar – damals, denn seit Februar 2010 ist der Goldpreis schon wieder gestiegen.
Wir fahren auf den Kieshügel, von dem aus die Familie Huaranho ihr Goldimperium betreibt. Vor dem Haus stehen mehrere neue Pick-up-Autos. Ansonsten Stille, ich stelle mir vor, dass hinter den Fenstern jemand mit einem Gewehr lauert, um ungebetene Besucher zu verscheuchen. Daniel geht voraus, um mit Herrn Huaranho zu sprechen. Zerknirscht kommt er nach ein paar Minunten zurück. „Ausgeschimpft haben sie mich, wie ich es wagen könne, Leute von aussen hierherzubringen“. Daniel fürchtet, dass er bei den Goldbaronen nun in Ungnade gefallen ist, und nicht mehr für Fahrdienste gerufen wird. Hier sind alle von den grossen Familien abhängig.
Wir machen einen letzten Versuch bei Cecilio Vaca. Der legendäre Cecilio Vaca, kam als einfacher Soldat aus Cusco vor 60 Jahren in die Gegend und besitzt heute eines der informellen Goldimperien von Madre de Dios. Das andere gehört seiner Ex-Frau La Goya, gefürchtet in der Gegen ob ihrer Härte, erzählt Daniel. Cecilio Vaca dagegen war lange Jahre Bürgermeister von Huepetue und hat, trotz seiner fast 80 Jahre, immer noch politische Ambitionen. Das ist auch der Grund, warum er mich nicht so grob abblitzen lassen kann, wie die anderen Goldbarone. Ich überrasche ihn beim Essen auf seiner Veranda auf seinem Kiesberg. Ein alter Mann, krank sei er , sagt er und wisse deswegen kaum etwas. Ja, das neue Dekret der Regierung. Jahrzehntelang waren die Goldgräber hier ungestört, haben keine Steuern bezahlt, ganz zu schweigen von Umweltabgaben.Dass es nicht so bleiben kann, wissen sie auch, aber die „ambientalistas radicales“ um Umweltminister Brack sollen zumindest nicht gewinnen. In den Worten von Cecilio Vaca klingt das Wort „ambientalista“ – Umweltschützer -, wie „terrorista“.
Wir fahren wieder über Mondkraterlandschaften zurück in den Hauptort Hupetue. Dort boomt das Geschäft. Auf der nicht asphaltierten Hauptstrasse reihen sich nagelneue Pick-up-Autos hintereinander. Die Geschäfte bieten neue Dieselmotoren für die „Chupaderas“an, die beiden Telefongesellschaften Telefónica und Claro wetteifern um die zahlungskräftige Kundschaft. Die Goldankaufstellen in Huepetue gleichen gut ausgestatteten Bankfilialen, mit Klimaanlage und Polstersesseln für die Kundschaft. In der Filiale von „Invergold“, einer Goldaufkaufkette aus Cusco, zeigt mir der Angestellte einen kleinen Klumpen Rohgold. 150 Soles will er dafür, 40 Euro, dabei reicht das nicht einmal für ein winziges Schmuckstück. Die Menge gold, die gerade für einen Ring reichen würde, kostet 600 soles, Vorzugspreis in Huepethue. Der staatliche Minimallohn in Peru liegt bei 500 Soles – monatlich.
Im Pick-up-Taxi, das mich nach Mazuko zurückbringen soll, komme ich mit meinem Sitznachbarn ins Gespräch, ein rund 40-jähriger rundlicher Mann, der eine Aktentasche an sich klammert. Umsonst habe er die weite Reise von Puerto Maldonado gemacht, sagt er. Er sei Vertreter für Baumsamen, die verkaufe er an Aufforstungsprojekte. Jemand hatte ihm gesagt, in Huepetue bestünde dafür Bedarf. Der Bürgermeister habe ihn aber zuerst nicht empfangen wollen und schliesslich gesagt, solange es hier Gold gäbe, werde in Huepetue umgegraben und keine Bäumchen gepflanzt.
Wer gewinnt ?
Nach dem Protest der informellen Bergleute in Peru hat die Regierung einen Runden Tisch in Puerto Maldonado eingerichtet. Dort sitzen die Vereinigungen der Bergleute zusammen mit der Regierung, um sich über die zukünftige Zonifizierung der Region abzustimmen und die Formalisierung ihrer Geschäfte. Immerhin entgehen dem peruanischen Staat an die 15 Millionen US-$ an jährlichen Steuern, ganz zu schweigen von den Umweltschäden, und der Spirale der Gewalt, die das illegale Geschäft mit sich bringt. Auf der anderen Seite stehen bis zu 60 000 informelle Bergleute (einige sprechen sogar bis zu 80 000), die sich ihre Körnchen vom globalen Goldboom ergraben wollen, und die ohne den Bergbau als Subsistenzbauern oder unterbeschäftige Städter ein karges Dasein fristen. Ganz zu reden von der Wertschöpfungskette der Händler und Zwischenhändler.
Ein alternativer Lösungsansatz könnte in der Förderung formaler Genossenschaften von Bergleuten bestehen und in der Herstellung ethisch unbedenklichen Goldes. Es existieren bereits alternative Technologien, die kein Quecksilber verwenden, um das Gold zu scheiden. Eine einfache und friedliche Lösung, wie mit dem Problem des illegalen Bergbaus in Zeiten des Goldbooms umgegangen werden kann, ist nicht abzusehen. Gegen Gelbfieber gibt es einen Impfstoff. Gegen das Goldfieber dagegen ist noch kein Kraut gewachsen.
(erschienen gedruckt in ila Juni 2010)
Etiquetas:
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