lunes, 22 de junio de 2009

Der Hund des Gärtners beißt zurück

Ein Kommentar zum jüngsten Blutbad im peruanischen Amazonasgebiet

Am 5. Juni räumte eine Einheit der peruanischen Polizei gewaltsam die Strassenblockaden, die indigene Demonstranten auf der Durchfahrtstrasse im peruanischen Amazonasgebiet errichtet hatten. Es kam daraufhin zu einem Blutbad, bei dem 24 Polizisten und mindestens 10 Ureinwohner getötet und rund 150 Personen verletzt wurden. Der Berichterstatter der UNO für Indigena-Fragen, James Anaya, und viele andere nationale und internationale Stellen haben inzwischen eine objektive Aufklärung der Geschehnisse gefordert.

Einige Hintergründe können jedoch bereits benannt werden.

Alles begann vor eineinhalb Jahren. Präsident Alan García veröffentlichte in der grössten Tageszeitung Perus einen Artikel aus eigener Feder, in dem er seine Strategie zur Entwicklung Perus bekanntgab: die Nutzung und Ausbeutung im grossen Stil der natürlichen Ressourcen Perus im Hoch- und im Tiefland. Peru könnte schon viel weiter sein, so schrieb García damals, wenn nicht sein Volk sich wie der Hund des Gärtners aus der gleichnamigen Fabel von Lope de Vega verhielte. Der wollte seinen Napf nicht leer essen, liess aber auch niemand anderen an sein Essen heran. So verhielten sich die Peruaner, laut García, und insbesondere die rückständigen Indigenas und andere Peruaner, die ihren gestrigen Kommunismus heute mit einem ökologischen Mäntelchen bedecken würden, wenn es um die Nutzung der Bodenschätze Perus ginge. Während zuerst vor allem ein Aufschrei(ben) durch die Reihe der oppositionellen Intellektuellen der Hauptstadt ging, wurden die Indigenas der Amazonasregion bald gewahr, dass Alan García es nicht bei der Ankündigung bleiben lassen würde. In den sogenannten „Leyes de la Selva“ (Dschungelgesetzen) schaffte er eine gesetzliche Grundlage für die breitangelegte Konzessionierung von Holz, Öl, Gas und Wasserreserven an nationale und internationale Investoren.
Letztes Jahr (200) organisierten die Indígenas des Amazonasgebietes erstmals dagegen einen Protest. Gefragt worden waren sie nämlich nicht, wie sie zur von oben verordneten Entwicklungsstragie ihres Lebensraumes stehen. Und dies, obwohl die auch von Peru unterschriebene ILO-Vereinbarung eine Konsultation zwingend vorsieht.
Der Protest letztes Jahr nütze nichts. Die Regierung war fest entschlossen, ihre Politik durchzusetzen. Vor drei Monaten vereinbarten die indigenen Völker des gesamten Amazonastieflandes erneut in den Ausstand zu gehen. Das heisst, sie blockierten die Verkehrswege zwischen Tiefland und er Hauptstadt und schnitten damit auch die Erdölzufuhr ab.
Die Regierung war nicht bereit zu einem Dialog, und schickte nach zwei Monaten die Polizei. Denn der Hauptstadt Lima ging das Öl und damit das Licht aus. In diesem Kontext ereignete sich das oben genannte Blutbad.
Erst eine Woche danach, am 17. Juni, und nach heftigen Protesten aus dem In- und Ausland, gab die Regierung Garcia schliesslich nach. Alan García gestand öffentlich den Fehler ein, die Indígenas nicht vorher gefragt zu haben. Am 18. Juni zog er zwei der „Dschungelgesetze“ zurück. Die Tieflandindigenas hatten gewonnen!

Was bedeuten diese Proteste und der Sieg der Indígenas:

• Die Indigenabewegung Perus ist mit diesen Protesten erstmals zu einem Akteur in der nationalen peruanischen Politik geworden. Im Gegensatz zu Ecuador und Peru war eine Indigena-Bewegung in Peru bis dahin nicht sichtbar.
• Die 350 000 Indigenas des äusserst dünn besiedelten Regenwaldes (Selva) sind weit besser organisiert als die zahlenmässig weit überlegeneren Quechua und Aymara- Indigenas des Hochlandes. Tatsächlich haben sich die Tiefland-Indigenas in den letzten Jahrzehnten unbemerkt von der Hauptstadt organisiert und konsolidiert.
• Eine Indigena-Bewegung – in der Hochland- und Tiefland-Indigenas zusammenkommen – ist in Peru im Aufbau. Ende Mai fand in Puno am Titicaca-See der lateinamerikanische Indigena-Gipfel statt. Bedeutsam ist die Allianz von Tiefland- und Hochland-Indigenas.
• Gemeinsamer Treffpunkt aller Indígenas war und ist die Bedrohung ihres Lebensraumes durch die staatliche und private Ausbeutung von Bodenschätzen. Zunehmend treten die Indígenas jedoch auch mit eigenen Konzepten in die Öffentlichkeit. Gerade mit dem Konzept des „Guten Lebens“ (Buen Vivir) stellen die Indigenas einen inhaltlichen Gegenpunkt zur radikalen Modernisierungsstragie der peruanischen Regierung vor.
• Alan García hat versucht, Evo Morales und Hugo Chávez für die Proteste der Indigenas verantwortlich zu machen. Tatsächlich hat aber weder Evo Morales, noch Hugo Chávez noch der peruanische oppositionelle Ollanta Humala ursächlich mit den Protesten der Amazonas-Indigenas zu tun. Hier handelt es sich eher um nachträglichen Opportunismus der linken Politiker, der wiederum Alan García eine bequeme Schuldzuweisung erlaubte. Die Beziehungen zwischen Peru einerseits und Bolivien haben sich durch den Konflikt verschlechtert, die Gegensätze in ihrer jeweiligen Politik zugespitzt.
• Der Konflikt mag fürs erste mit dem Einlenken der Regierung beigelegt sein.Neu aufflammende Protest in anderen Landesteilen zeigen jedoch, dass sich indigene Gruppen nun ermutigt fühlen, mit ihren Forderungen – z.Bsp. gegen die Vergabe von Bergbaukonzessionen – ebenfalls an die Öffentlichkeit zu gelangen. Der Konflikt um das richtige Entwicklungs- und Modernisierungsmodell für Peru wird weitergehen, mit einer gestärkten Indigena-Fraktion. In diesem Sinn dürfen wir auch gespannt sein, wie sich die Indigena-Bewegung als politischer Akteur im Präsidentschaftswahlkampf 2011 präsentiert.
• Noch ein Wort zur Kirche: die Amazonas-Region gehört zu den am dünnst besiedelsten Regionen Perus und, in den Augen der Hauptstadt, zu den ärmsten und rückständigsten. Vielleicht sind gerade deswegen dort die progressiven Bischöfe noch nicht gegen Opus Dei und Sodalitium-Anhänger ausgetauscht worden. Sie und ihre Vikariate und Prälaturen waren einfach zu unbedeutend. Das heisst, die progressivsten katholischen Bischöfe Perus findet man heute in der Selva.Bereits im April hatten die 9 Bischöfe der Selva den Protest der Indigenas gegen die „Dschungelgesetze“ in einem öffentlichen Kommunique unterstützt. Als Vermittler und Wächter zur Einhaltung der Menschenrechte ist die Kirche dort geschätzt. Inwiefern sie auch als inhaltlicher Gesprächspartner bei der Entwicklung eines alternativen Entwicklungsmodells von den Indigenen herangezogen werden, bleibt abzuwarten.
• Hintergrund der umstrittenen „Dschungelgesetzgebung“ waren die Bestimmungen des Freihandelsvertrage zwischen den USA und Peru. In diesen Tagen wird der Freihandelsvertrag zwischen der EU und Peru in Brüssel ausgehandelt. Obwohl verschiedene Gruppierungen eine Aussetzung der Verhandlungen gefordert haben (u.a. die Plataforma Europa Peru verschiedener Solidaritätsgruppen und die Infostelle Peru), gehen diese weiter.
• Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt massgeblich das neugegründete peruanische Umweltministerium und hat von daher einen Einfluss auf die Entwicklungsstrategie Perus.

Weitere Infos auf: www.infostelle-peru.de

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