jueves, 27 de marzo de 2008

Wasser - Agua


Mehr verschlafen als interessiert hörte ich heute früh im Bett die Nachrichten: ein toter Häftling, eine versuchte Vergewaltigung, ein Verkehrsunfall und als Sensation ein schwangerer Mann. Das übliche Gemisch aus Horror, Crime und Sex, das hier als berichtenswert gilt. Ich merke erst auf, als ich auf einmal das Wort "corte de agua" höre. Das Wasser wird abgestellt. In mehreren Stadtteilen Limas würde heute von 9.30 am bis um 2.30 früh das Wasser wegen Reparaturarbeiten abgestellt. Mein Wohnviertel ist auch darunter. Ein Blick auf die Uhr: 7.30 ; nichts wie raus aus dem Bett und Wasser horten. Alle leeren Plastikflaschen, die ich finden kann, werden mit Wasser gefüllt. Dann schnell alles Geschirr vom Vortag spülen. Der Wasserreserveeimer auf der Dachterrasse ist leer - und aus dem Wasserhahn tröpfelt immer weniger Wasser. Der "Corte", die Wasserabstellung hat schon begonnen. Immerhin schaffe ich es noch unter die Dusche, solange ein paar Tropfen herauskommen. Um 8.15 ist die Leitung trocken - eine der wenigen Dinge, die hier vor der angekündigten Uhrzeit passieren können. Meine zwei Freundinnen, die sich für 11 Uhr morgen angekündigt haben, werden halt nicht duschen können - soviel Wasser konnte ich nicht mehr horten.

Dass Wasser kein selbstverständliches Gut ist, spürt man erst, wenn es mal fehlt. Dass es in der Grosstadt Lima nicht öfters daran fehlt, grenzt eigentlich an ein Wunder. Denn Limas 8 Millionen Einwohner leben sprichtwörtlich in der Wüste. In geographischer Hinsicht sind sich Kairo und Lima verdammt ähnlich. Das wird jedem Ausländer sofort klar, wenn er die kargen Sandhügel rund um die Stadt betrachtet oder die staubigen Pflanzen und traurigen Palmen ansieht, die trotz ausgiebigen Giessens nie richtig saftig grün ausssehen. Deshalb ist es verwunderlich, dass sich die Bewohner Limas bisher kaum Sorgen um ihre zukünftige Wasserversorgung machen. Selbst in den Armenvierteln, die nur unzulänglich mit Wasser versorgt sind, und in denen man kaum ein grünes Blatt erblickt, wird das Problem darauf reduziert, dass man Leitungen legen soll oder das Wasserunternehmen korrupt ist. Was aber, wenn einmal kein Wasser mehr aus der Leitung kommt, weil es keines mehr gibt ?

Lima speist sich mit Wasser der Flüsse Rimac und Chillón. Auf dem Pass Ticlio, auf 4800 Meter Höhe, entspringen die Bächlein, die nach und nach den Fluss Rimac bilden. "Noch vor ein paar Jahren habe ich beim Überqueren des Passes Schnee gesehen", erzählt Erzbischof Pedro Barreto. Heute muss man schon eine Brille aufsetzen, um ein paar Schneefelder in der Ferne noch zu erkennen. Die Tropengletscher sind in den letzten 5 Jahren um 22% geschmolzen - der peruanische Ticlio macht da keine Ausnahme.
Kurz unterhalb des Ticlios fliessen dann Abwässer aus Bergwerken in die kleinen Bäche; weiter unten ist ein Tunnel, in den Bergbauschutt seit Jahrzehnten gelagert wird und der inzwischen ins Grundwasser gesickert ist; noch weiter unten im Rimac-Tal, da wo die äussersten Siedlungen Limas beginnen, fliessen Industrieabwässer, Haushaltabfälle und Agropestizide ungefiltert in den Fluss. Das heisst, das Wasser wird nicht nur weniger: es kommt auch hochgradig verschmutzt in Lima an.
Wenn Lima das Wasser ausgeht, wird hier auch das Licht ausgehen: Peru ist durch seine Geographie, die steilen Andenabhänge, in der Lage, ein gutes Drittel seines Energiebedarfes durch Wasserkraftwerke zu decken. Frage ist nur, wie lange noch, wenn das Wasser zurückgeht.

All diese Fragen sind bisher in der peruanischen Gesellschaft und Politik tabu. Denn: Peru ist eine Gesellschaft im Modernisierungsschub. Durch anhaltendes Wirtschaftswachstum wächst auch der Bedarf nach Wasser und Energie, nicht nur für die Industrie, sondern gerade auch für den persönlichen Konsum. Da ist es nicht populär, wenn Politiker zum Haushalten mit Wasser und Energie anhalten.

Gut, dass die katholische Kirche - endlich - hier ihrer prophetischen Rolle gerecht wird: heute hat Erzbischof Barreto die landesweite Kampagne "Wasser, Geschenk Gottes für das Leben" eröffnet. In allen katholsichen Gemeinden sollen die Christinnen und Christen für den Umgang mit der Ressource Wasser sensibilisiert werden.

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