Die schlimmen Jungs sind bekanntlicherweise viel aufregender als die braven Streber. Vor mir steht einer, dem auf den ersten Blick nicht anzusehen ist, welcher Kategorie er angehört. Gut 1,80 gross, überschlank, mit weissen Stoppeln auf dem Kopf und im noch nicht ganz verlebten Gesicht, aus dem ein Paar blitzblauer Augen funkeln. Das moderne Karohemd hängt lässig über seiner beigen Leinenhose, über der Brust des Mitfünfzigers baumelt eine Lesebrille. In der rechten Hand ein zerlesenes Paperback, "El Hombre", den Roman des amerikanischen Bestsellerautors über einen fiktiven schwarzen Präsidentschafskandidaten. "Bufalo", so heisst mein Bekannter, könnte ohne weiteres an einer Strandbar stehen und auf ein weibliches Opfer warten, das sich von seinen Abenteuern beeindrucken lässt. Tut er aber nicht. Ich treffe Buffalo im Gefängnis von San Juan de Lurigancho, dem grössten und berüchtigsten Männergefängnis Perus. Bufalo ist der Sous-Chef eines Faites, also eines Bandenchefs, der über seinen Gefängnistrakt mit mehreren hundert Männern gebietet. Mit anderen Worten: hier im grössten Männerwohnheim Perus mit über 10 000 Insassen, ist Bufalo eine Respektsperson.
Dies merken wir spätestens, als wir mit einem Fotografen über den "Boulevard" gehen - über den ca. 400 Meter langen Gang, der die einzelnen Trakte voneinander trennt. Hier gibt es alles und alle zu kaufen: Waschmittel, Seife, Ersatzteillager für alles mögliche, Drogen und Menschen. Auf dem Boden total zugedröhnte Jungs, die sogar zum Dealen zu bekifft sind und nur noch sich selbst anbieten können, um an Drogen zu kommen; daneben die Dealer aller Abstufungen und Männer, die selbst hergestellte Keramikarbeiten anbieten, und damit den Anschein aufrecht erhalten, dass auch im Gefängnis ein "ehrliches" Leben möglich ist. Ist es aber nicht: 80% der Bewohner dieses Gefängnisses nimmt Drogen; wenn sie es nicht getan haben, bevor sie eingelocht wurden, so tun sie es spätestens, wenn sie rauskommen. Die Polizei schaut zu oder hilft sogar noch mit bei der Beschaffung der Drogen. Warum sollten sie auch nicht: bei 400 Polizisten gegen 10 000 Häftlinge, ist doch jegliche Liebesmühe vergeblich. Da kann man die Häftlinge genausogut mit Waffen und Drogen versorgen. In gewisser Weise hebt sich deren Wirkung gegenseitig auf: "Die Drogen machen uns zahm, so dass wir nicht ausbrechen, denn die Waffen dazu haben mir".
Bufalo macht da keine Ausnahme: "Natürlich nehme ich auch Drogen, sonst hält man das nicht aus". Seit 24 Jahren führt Bufalo ein Leben zwischen Gefängnis und Nicht-Gefängnis. Mehr Zeit hat er inzwischen drinnen verbracht. Drogenhandel, Überfälle und Betrügereien - alles hat er schon gemacht und versucht. Unschuld versucht er gar nicht erst vorzutäuschen. Reue über ein verpfuschtes Leben ? Dazu hat er zuviel Haltung und Selbstachtung. "Wie hält man das Gefängnis hier aus, ohne verrückt zu werden ?" frage ich ihn. " Du musst alle Gefühle abschalten, sonst geht es nicht.", meint Bufalo. Er möchte deswegen keinen Besuch mehr von seinen Familienangehörigen, das bringe nur Probleme und Sorgen. Ohne Besuch und Familie lebe er ruhiger. Trotz aller Abgebrühtheit ist die Traurigkeit in seiner Stimme abgrundtief.
jueves, 27 de marzo de 2008
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