domingo, 5 de agosto de 2007

Flugangst


Wer sie nicht hat, der wird sie als Paranoia abtun. Ein Fall für die Psychos. Wer jedoch meint, dass der Mensch nicht dazu gemacht ist, in eine Metallröhre gezwängt die Schwerkraft zu überwinden, weiss sofort, wovon ich spreche: der Flugangst. Man kann sie im Zaum halten, fast auf null zurückfahren, sie mit allen möglichen Argumenten verleugnen (z.Bsp. den altbekannten Statistiken vom Flugzeug als sicherstes Verkehrsmittel) - alles nur Mumpitz. Einmal gekannt, lauert sie im Hintergrund und wartet nur auf eine Gelegenheit, sich in Deinem Gehirn seinen Platz zurückzuerobern.
So wie vor einigen Wochen, als ich von Juliaca nach Lima flog. Fragt mich nicht, wie oft ich die einstündige Strecke schon geflogen bin, von der Stadt auf 4000 Meter am Titicacasee, bis in die Hauptstadt Lima. Zehn Mal dürfte nicht übertrieben sein. Jedes Mal ist mir unwohl dabei. Dieses Mal erinnert mich der Taxifahrer, der mich von Juliaca an den 3 Kilometer ausserhalb liegenden Flughafen bringt, daran, dass Fliegen nicht ungefährlich ist. Das Haus, in dem er mich in Juliaca abholt, wurde von einem Schweizer Priester gebaut, der vor gut 20 Jahren bei einem Flugzeugabsturz in Juliaca ums Leben kam. Ob ich die Geschichte kenne, fragt mich der Taxifahrer. Ich nicke und spüre eine morbide Neugier. Nackt, haetten die Leute damals den abgestuerzten Padre Conrado aufgefunden, weil vorher noch Leichenfledderer gekommen seien und ihn seiner Habseligkeiten beraubt hätten, erzählt mir der Taxifahrer voller Süffisanz. Normalerweise sind das die interessanten Stories, aber dieses Mal denke ich nur daran, ob das nun ein gutes oder schlechtes Omen für meinen Flug ist, wenn man bei der Hinfahrt schon über Flugzeugabstuerze spricht.






Im Flughafen selbst dann die Ansage, dass der Flug nach Lima überbucht sei, und dass jedem, der freiwillig zurücktritt, 100 Dollar Belohnung geboten werden. In meinem Kopf machen sich die Gedanken selbständig: war nicht das Flugzeug, das damals abstuerzte auch überfüllt, und hat nicht der Pater Conrado darauf bestanden, auf dem Notsitz mitfliegen zu dürfen ? Und überhaupt, was macht die Fluggesellschaft, wenn niemand zurücktritt und das Flugzeug zu schwer wird ? Mögliche Horrorszenarien mischen meine Phantasie auf. Bereden kann ich die mit niemandem. Die mich umgebenden Touristen aus Korea und USA bekleidet mit Alpacapullovern und bepackt mit bunten Lamataschen, scheinen das Fliegen so normal zu finden wie ich das Fahrradfahren. Da erblicke ich ganz hinten ein bekanntes Gesicht: einen katholischen Bischof, mit dem ich schon des öfteren zu tun hatte. Ob er auch Angst vor dem Fliegen habe, frage ich ihn. Keineswegs, meint er, diese Maschinen seien total sicher, und überhaupt glaube er an die Technik. An die Technik glaube ich zwar nicht, aber sehr wohl an einen Gotteshandel: wenn der Gottesmann im Flugzeug sitzt, dann lässt Gott dieses ja wohl nicht abstuerzen. Sozusagen eine kleine Garantie mehr, dass wir heil über die Anden kommen.

Als ich als eine der letzten durchs Gate gehe, frage ich mich, ob dies nun mein letzter Gang auf Erdenboden ist, bevor ich ins Flugzeug einsteige. Ich bekomme einen Platz neben einem jungen, in sich versunkenen Touristenpärchen aus den USA. Der Bischof nimmt ein paar Reihen vor mir Platz und winkt mir noch aufmunternd zu. Vor mir klappt ein Bildschirm auf und zeigt die Sicherheitsvorrichtungen. Wenn von den aufblasbaren Schwimmwesten unter dem Sitz die Rede ist, muss ich fast lachen: was helfen die mir, wenn ich über einem 6000 Meter hohen Gletscher abstuerze ? Zerschollen zwischen Felsen und Kondoren. Das Flugzeug hebt ab, die Motorengeräusche hören sich normal an. Oder doch nicht ? War da nicht gerade ein Stottern im Motor ? Der Offizier eines Frachtschiffes sagte mir mal, im Gegensatz zum Flugzeug, könne man ein Schiff auch unterwegs reparieren. Wie wahr dies ist.....

Die Stewardessen, junge Peruanerinnen mit einem mechanischen Lächeln, geben mit keiner Geste oder auch nur einem Blinzeln zu erkennen, ob es Grund zur Beunruhigung gibt oder nicht. Der Captain sagt durch, dass wir nicht direkt nach Lima fliegen, sondern in Cusco zwischenlanden. Oh Gott, Cusco ist mein absoluter Horror-Flughafen. Schon sinkt das Flugzeug durch die Wolken hindurch genau auf einen Berg zu. Dann umfliegt es den Berg in einem Achter und ich bin überzeugt, dass dieses Mal das Flugzeug am Berg zerschellt. So nah an den Bergen herumzufliegen. Innerlich bin ich schon schweissgebadet. Auf einmal stabilisert sich der Flieger und die Landebahn taucht vor uns auf. Nochmal Glück gehabt...... ich atme auf. Dieses Mal sollte es doch noch nicht sein..... .

PS: Schon einen Tag später, wieder sicher auf dem Boden in Lima, kommen mir meine aufgezeichneten Gedanken absurd und lächerlich vor. Wie konnte ich mich da nur so reinsteigern ? Drei Tage später erzählen mir zwei Bekannte - anerkannte, seriöse Juristen mit Jackett und Krawatte - dass auch sie beim Fliegen schweissgebadet auf jedes Geräusch des Flugzeugmotors achten. Woran sie denn litten, frage ich . Die Antwort ist längst klar: Flugangst