domingo, 27 de octubre de 2013

Der Tod des Clowns



Eine Vorzeigemine sollte es sein, das Kupferbergwerk Tintaya Antapaccay des Schweizer Rohstoffkonzerns X-Strata im peruanischen Hochland. Dennoch kamen bei gewaltsamen Protesten gegen die Mine im Mai 2012 drei Menschen ums Leben. Was lief falsch ?

Am 27. Mai 2012 war Walter Sencia aus dem peruanischen Espinar zur falschen Zeit am falschen Ort. Der 24-jährige hatte  am Protestmarsch gegen die Kupfermine Tintaya teilgenommen. Eine verirrte Kugel, wahrscheinlich aus den Reihen der Polizei, traf ihn tödlich. „Dabei hat sich Walter doch gar nicht für Politik interessiert“, schluchzt die hochschwangere Witwe, selbst erst 20 Jahre alt, drei Monate später und zeigt ein leicht unscharfes Papierfoto, auf dem der Verstorbene im Clownskostüm eine Kindergruppe in Bann haelt. Walter Sencia hatte seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht als Clown bei Kindergeburtstagen verdient.
Die wenigsten Peruaner waren jemals in Espinar. Die gleichnamige Provinz mit ihren 72 000 Bewohnern liegt aufeiner Hochebene auf 4000 Meter innerhalb des Departaments Cusco, weit entfernt vom Touristentempel Macchu Picchu. Die Luft ist dünn, der Wind kalt, die Sonne gleissend,  die Erde karg und baumlos, die Stadt selbst gelb-grau. Nur  der Himmel scheint so tiefblau, als ob er für alle Unbill der Natur  entschädigen muss.  In Espinar zu leben ist hart. Es könnte etwas angenehmer werden durch die Ansiedlung einer grossen Kupfermine, hofften viele.
Seit 30 Jahren wird vor den Toren Espinars Kupfer abgebaut. Zuerst durch den peruanischen Staat, dann durch eine australische Firma, seit 2006 ist die Mine Tintaya Antapaccay im Besitz des Schweizer Rohstoffkonzerns X-strata.   X-strata rühmt sich seiner vorbildlichen  Sozial- und Umweltstandards im allgemeinen, und in Espinar ganz besonders. Von der Vorgängermine übernahm X-strata die freiwillige Selbstverpflichtung, mittels eines Rahmenvertrags mit der Gemeinde 3% des Gewinns fuer  Entwicklungsprojekte in  Espinar zur Verfuegung zu stellen. Immerhin 70 Millionen US-Dollar sind damit in den letzten 10 Jahren zusammengekommen.
“Auf  unser Schulprojekt sind wir richtig stolz”, sagt Marco Santos, bei Xstrata Copper zuständig für die Beziehungen mit der lokalen Bevoelkerung .   Die Ausstattung des  Zentrum für schulische Ressourcen würde  jeder Schweizer Dorfschule Ehre machen:  Indianermädchen in blauen Trainingsanzügen sprechen im Sprachlabor konzentriert die englischen Worte nach, die der Beamer an die Wand projiziert. Im Chemielabor stehen die neuesten Apparate, um den Kindern von Espinar die Grundzüge der Physik und Chemie beizubringen.  Der Raum für Frühförderung ist der  Traum jeder Heilpädagogin.  In dieses Zentrum kommen alle Schulklassen aus Espinar wochenweise, um mit gezieltem Zusatzunterricht die defizitäre staatliche Schulbildung zu ergänzen.  Gebaut wurde das Zentrum mit Geldern aus dem Rahmenabkommen,  das die Mine Tintaya Antapaccay mit der Provinz Espinar geschlossen hat.  Gebaut und gefuehrt wird das Projekt von der  „Tintaya-Stiftung“.

Genau diese ist das Problem. Die firmeneigene Sozialstiftung ist für die Durchführung der Projekte aus dem Rahmenabkommen zuständig.  Das Schulprojekt CREE zeugt für ihre Effizienz. Dennoch hat sich der Zorn der protestierenden Bevölkerung Ende Mai gegen die Stiftung Tintaya gerichtet. „Mine raus“ steht auf dem ausgebrannten Gebäude  der Stftung in Espinar.  Es scheint, Effizienz alleine genügt  in Espinar nicht, um geliebt zu werden.
Für Oscar Mollohuanca ist  die Mine ein Segen und ein  Fluch zugleich. Der  kleine Mann mit der Nickelbrille gehoert einer linken, bergbaukritischen Partei an und ist schon zum zweiten Mal von der Bevoelkerung Espinars zu ihrem Bürgermeister gewaehlt worden.  Nun residiert er in einem fünfstöckigen neuen Stadtpalast mit verspiegelter Glasfassade, wie sie dank der neuen Steueraufkommen aus dem Bergbau viele Andendörfer schmücken. Bei der Aushandlung des neuen Rahmenvertrages zwischen Gemeinde und Mine  ist das Gebahren der  Tintaya-Stiftung bis heute ein strittiger Punkt. „Die Mine benutzt die Stiftung, um politische Arbeit zu machen, und soziale Kontrolle auszuüben“, klagt Mollohuanca an.

  Mit gezielten Projektvergaben wuerden sie Bauern gefuegig machen und zum Beispiel dazu bringen, von Klagen wegen Umweltverschmutzung abzusehen. Er fordert, dass die mit Geldern aus dem Rahmenabkommen errichteten Projekte in die Hände der Provinzverwaltung übergehen, und dass die Stiftung ihre Arbeit einstelle.   Vielen Menschen in Espinar scheint die Macht der Mine suspekt zu sein: nicht nur, dass sie das grösste Wirtschaftsunternehmen im weiten Umkreis ist;  nun macht sie auch noch in Sachen Entwicklung.  Was bleibt da noch fuer einen Buergermeister zu tun uebrig ?
Die Mine ist gezwungen, sich das Wohlverhalten der Bevoelkerung zu erkaufen, weil sie gerade das nicht bieten kann, was man traditionellerweise von einem Wirtschaftsunternehmen erwartet: Arbeitsplätze. Ein Besuch in der Mine Tintaya macht deutlich, warum es eher unwahrscheinlich ist, dass die Indianermaedchen, die im Schulzentrum der Mine Englisch bueffeln, dort einst auch Arbeit finden werden. Überlebensgrosse Lastwagen und ebenso gigantische Schaufelbagger graben die Erde Tag und Nacht um. In der Hüttenanlage reichen drei Ingenieure am  Kontrollstand aus, um die ganze Kupferproduktion instand zu halten.  Der moderne Bergbau funktioniert mit vielen Maschinen und wenig Menschen. Die wenigen Arbeitskraefte findet er nicht in Espinar, sondern in den Städten Lima, Arequipa, Cusco, wo  Ingenieure ausgebildet werden.  70% der Arbeitskraft in der Mine soll laut Rahmenvertrag  aus Espinar stammen. Bisher sind es 35% - und auch das nur, weil  für den Aufbau der  neuen Mine Antapaccay temporäre Bauarbeiter gebraucht werden.
In Espinar misstrauen die Menschen jedoch nicht nur der Mine, sondern ebenso  ihrem aus der Hauptstadt gefuehrten Staat. Der, so ihre Verdacht, wuerde nicht etwa gemeinsame Sache mit seinen Buergern in Espinar, sondern mit der Mine machen. Der Verdacht ist nicht immer von der Hand zu weisen.
Ein paar Kilometer ausserhalb der Stadt lagert die Mine Tintaya  ihren Abraum in einem Staubecken. Ein Damm verdeckt den Blick darauf, man sieht nur einen  Bewaesserungskanal, der ein Rinnsal fuehrt.


 Das sei  verseuchtes Sickerwasser aus dem Abraumsee, klagen die Bauern trotz aller gegenteiliger Beteuerungen Tintayas. Die Bauern  haben hier ein paar Kuehe oder Schafe, bauen Kartoffeln und Quinoa fuer den Hausgebrauch an. Ein paar Jungen binden Stroh und bringen es mit ihrem Fahrrad weg. Einen Traktor haben die wenigsten. Mitten in der menschenleeren Landschaft tauchen auf einmal zwei Polizisten auf und verwehren den Bauern den Zutritt. Im Auftrag der Mine bewachen sie deren Gelaende. Der peruanische Staat erlaubt, dass seine Polizisten in ihrer Freizeit und in offizieller Uniform mit privaten Wachdiensten ihr schmales Staatssalaer aufbessern . In der Mine Tintaya gab es sogar einen Polizeiposten innerhalb des Firmengelaendes. Fuer die Bevoelkerung in Espinar ist der Anblick der Polizisten im Dienst der Mine ein weiterer Beweis dafuer, dass ihre Staatsmacht in der Hauptstadt Lima mit den grossen Bergwerksbesitzern  gemeinsame Sache macht.
Die Bergbauunternehmen haben in den letzten Jahren  wohl riesige Fortschritte in ihrem Umweltmanagement gemacht, aber im Management ihrer sozialen Beziehungen stehen sie erst am Anfang. Das sagt Jaime Amezaga von der britischen Universitaet Newcastle. Er  ist Umweltexperte fuer Bergbau und hat in Bergbaukonflikten in Europa und Lateinamerika als Berater gearbeitet Auch in Espinar ist er taetig.  Das Grundproblem, so sagt der gebuertige Spanier, seien nicht die Gesetze oder die  fehlenden Umwelttechnologie, sondern das Misstrauen zwischen den Parteien.
 Der Grat hin zu mehr Vertrauen  ist schmal. Setzt die Mine zuviel eigenmaechtige Sozialprojekte um, untergraebt sie den an sich schon schwachen Staat und schuert Widerstand.  Setzt sie auf den Staat als Entwicklungstreiber,  kann sie keine eigenen und vor allem keine schnellen Erfolge fuer die lokale Bevoelkerung vorzeigen, der versprochen wurde, von der Mine wuerden alle profitieren. Der einzige Ausweg  aus dem Dilemma heisst Dialog und  Respekt.

Oscar Mollohuanca leitet eine weitere Sitzung des Runden Tisches, der einberufen wurde, nachdem der Konflikt im Mai eskalierte. Alle sind sie da: die Bergwerks-Manager in dicken Daunenanoraks; die Distriktsbuergermeister in Anzug und Krawatte; die Beamten der Stadtregierung; Baeuerinnen in ihrer farbenfrohen Tracht und ihre Maenner mit schwieligen Haenden; Beamte aus der Hauptstadt, die dreinschauen, als ob sie gedanklich noch oder schon wieder in Lima sind. Es geht hoch her. Die Bauern fordern die Schliessung der Tintaya-Stiftung. Die Mine will ihre Projekte zuerst nicht aus der Hand geben. Schliesslich ein kleiner Schritt nach vorn,  die Vertreter der Mine gestehen zu, ihre Stiftung grundlegend zu reformieren.
Der jungen Witwe des Clowns Walter Sencia und den Angehoerigen der beiden anderen Toten der Proteste bietet Xstrata eine Entschaedigung von insgesamt  150 000 Euro an.  Die Moerder sind weiterhin unbekannt.

Hildegard Willer 

Nachtrag: obiger Text stammt vom Oktober 2012. Heute, ein Jahr später, ist der Konflikt immer noch nicht beigelegt. Die breit angelegte, partizipative Umweltprüfung unter Federführung des Umweltministeriums erbrachte zwar Messergebnisse, die an einigen Punkten die Grenzwerte eindeutig überschreiten. Es herrscht jedoch keine Einigung, wer der Verursacher der Verschmutzung ist. Der Bürgermeister von Espinar, Oscar Mollohuanca, ist weiterhin in Ica - mehrere Hundert Kilometer entfernt von seinem Heimatort - vor Gericht angeklagt. Die Fundación Tintaya  wurde aufgelöst.

sábado, 19 de octubre de 2013

Radio-Reportage ueber Gold-Schuerfer in den peruanischen Anden

Unter folgendem Link findet Ihrdie Radio-Reportage von Bettina Rehmann und mir


Gutes Essen und Hunger in den Anden


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Wenn die Frauen aus Chihuani, Combaya oder einem der Nachbardoerfer im bolivianischen Hochland ihre farbigen Wolltuecher auf den Boden legen und das mitgebrachte Essen zum gemeinsamen „aptapi“  ausbreiten, duerfte jedem gesundheitsbewussten Vegetarier das Wasser im Munde zusammen laufen: organisch angebaute Kartoffeln, in einer Auswahl von mindestens vier Sorten, von der lilafarbenen Huayra bis zur Peruanita; die Andenwurzel Ragacha – eine perfekte Mischung von Karotte und Kartoffel;  gefriergestampfte Chunhos, die der Andenbevolkerung auch ueber eine Trockenzeit ohne Ernte hinweghelfen, duerfen auch nicht fehlen.

Dazu handgemachter Kaese,  fingerkuppengrosse saftig gelbe gekochte Maiskoerner, daumengrosse Saubohnen und eine frisch gebackene Tortilla aus selbstgemahlenem Maismehl: das alles getunkt in wuerzige Sossen mit Kraeutern aus dem heimischen Garten .  Gegessen wird mit der Hand, weit und breit kein Geschirr, geschweige denn Plastikgeschirr zu sehen – ausser der unvermeidlichen 3-Liter-Flasche mit irgendeinem bunten suessen gesprudelten Getraenk, das im Plastikbecher herumgereicht wird.

Die Doerfer, in denn ich dieses exquisite Mahl geniessen durfte, gehoeren zu den aermsten Doerfern Boliviens und gelten als rueckstaendig.

Echarate ist das reichste Dorf Perus:  die Gemeinde im oestlichen Tiefland des Departamentes Cusco beherbergt die groessten Gasfelder Perus. Die Steuereinnahmen  aus der Erdgasfoerderung haben den indigenen Tieflandbewohnern  von Echarate zum durchschnittlich hoechsten Prokopf-Einkommen verholfen.  Dennoch  hat die Unterernaehrung in Echarate gerade unter den indigenen Machiguenga zugenommen, wie die Journalistin Nelly Luna in einer Artikelserie in El Comercio berichtet. „Es ist kein Problem des Geldes“, sagt sie. Statt wie herkoemmlich auf die Jagd zu gehen oder zu fischen, kaufen die Machiguenga nun ein Sprudelgetraenk und eine Packung Cracker im naechsten Laden zum Fruehstueck.

Etwas aehnliches ist auch in den Hochanden zu beobachten, wenn auch aus einem anderen Grund: aufgrund der hohen Weltmarkt-Nachfrage nach Quinoa, verdienen viele Subsistenzbauern im bolivianischen und peruanischen Hochland zum ersten Mal  richtig Geld mit ihrem Produkt, das bisher nur zum Hausgebrauch angebaut wurde. Viele Bauern verkaufen die Quinoa lieber, als sie selber zu essen. In vielen Andendoerfern kann man deshalb keine Quinoa mehr auf dem Dorfmarkt kaufen – oder wenn dann zu horrenden Preisen. Mit dem Erloes aus dem Quinoaverkauf fuer den Export kaufen viele Bauern nun das, was bisher unerschwinglich war und in der Werbung als Inbegriff eines modernen Lebens gilt: Nudeln, Thunfisch aus der Dose, eines der bunten Cola-Getraenke und die unvermeidlichen Cracker als Brotersatz.

Es ist ein Paradox – und sicher nicht das einzige – des sogenannten Fortschritts, dass mehr Geld nicht automatisch zu besserer, sehr wohl aber oft zu schlechterer Ernaehrung fuehrt.

miércoles, 10 de julio de 2013

Gold - die Geißel des Amazonas

Lima (KNA) Ein Kilogramm Quecksilber passt in eine Halbliter-Plastikflasche und ist in einigen Gegenden Südamerikas so einfach erhältlich wie Bier oder Cola. 480.000 Tonnen Quecksilber haben die Anrainerstaaten des Amazonasbeckens - Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien und Brasilien - 2012 gemeinsam eingeführt. Nur ein kleiner Bruchteil davon wird für Zahnfüllungen oder zur Herstellung von Batterien gebraucht. Der allergrößte Teil des hochgiftigen Metalls landet in den Camps illegaler Goldschürfer. Ohne Quecksilber können sie die Goldsteinchen nicht vom umliegenden Material trennen.

"Der illegale Goldabbau ist eine Geißel", sagte der peruanische Umweltminister Manuel Pulgar-Vidal bei einem Forum in der peruanischen Hauptstadt, das erstmals Experten aus den sechs Anrainerstaaten des Amazonasbeckens zusammenbrachte. Dabei wurde vor allem eines deutlich: Illegaler Goldabbau ist längst ein Problem aller Amazonasländer geworden. Gesicherte Zahlen sind bislang dürftig - eben weil es sich um Goldgräber handelt, die ihr Gewerbe nicht anmelden; die Realität ist dennoch erschreckend. In 21 von 24 peruanischen Provinzen schürfen Menschen ohne Genehmigung oder Einhaltung von Umweltvorschriften nach Gold.

Besonders schlimm ist es in der an Brasilien grenzenden Provinz Madre de Dios: Bevor der Flusssand nach Goldsand umgegraben werden kann, muss der Urwald gefällt werden. 18.000 Hektar Regenwald sind dort bereits dem Goldabbau zum Opfer gefallen. DiE armen Kleinschürfer werden dabei selten reich. "Die illegale Goldgräberei wird mit großen Flussbaggern und Schaufelbaggern betrieben. Das Kapital dazu stammt auch von mächtigen Investoren", sagt Ernesto Raez, Berater im peruanischen Umweltministerium.

In Kolumbien wird 63 Prozent allen geförderten Goldes ohne amtliche Genehmigung und damit auch ohne Umweltaufsicht geschürft. Goldproduktion ist lukrativ für Drogenbarone; aber auch die Guerilla kassiert Wegezoll für ihren Schutz der illegalen Goldminen, wie Leonardo Guiza von der Universidad del Rosario in Bogota berichtet. Mit 180 Tonnen eingeführten Quecksilbers jährlich führt Kolumbien die Statistik beim Verbrauch des hochtoxischen Metalls an. In Brasilien graben rund 75.000 Goldschürfer, dort "Garimpeiros" genannt; sie sind vor allem im Norden Brasiliens tätig, an der Grenze zu Venezuela. Aus Ecuador und Bolivien sind wenig gesicherte Zahlen erhältlich; aber das Problem nimmt auch dort zu.

Der Schaden durch den illegalen Goldabbau ist immens: Das Quecksilber gelangt unkontrolliert in die Nahrungskette der Anwohner und ins Grundwasser; die Goldschürfer selbst atmen hochgiftige Dämpfe ein. Prostitution und Gewalt begleiten das lukrative Geschäft des schnellen Goldes. Den Staatskassen entgehen Millionen an Steuergeldern. Nun hat Kolumbien Strafen verhängt. In Peru wird der Handel mit Quecksilber und Benzin - das für die Dieselmotoren und Bagger gebraucht wird - strenger als bisher kontrolliert.

Der Abbau im Regenwald steht ebenfalls unter Strafe. Doch kaum ein Goldgräber lässt sich durch die neuen Gesetze von dem lukrativen Geschäft abbringen. Allein in Peru leben 100.000 bis 200.000 Menschen vom illegalen Goldabbau. Minister Pulgar-Vidal will nun mit Polizei und Militär gegen die Goldgräber im Amazonasgebiet vorgehen: "Wir müssen die Gesetze durchsetzen", sagt er - "auch wenn die sozialen Kosten dafür hoch sind".

Der Hauptteil des illegal geförderten Goldes gelangt über Zwischenhändler ganz legal nach Europa. Wirksamer als alle gesetzlichen oder sogar militärischen Maßnahmen dürfte der Weltmarkt sein: Wenn der Goldpreis weiter sinkt, rentiert es sich irgendwann nicht mehr, den Amazonas abzuholzen, um im Flusssand nach Gold zu buddeln.
(Quelle: KNA - Katholische Nachrichtenagentur)

viernes, 5 de julio de 2013

Kein Respekt vor dem Paradies

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Den Tag im Januar diesen Jahres wird Marco Guillén nie vergessen:
mit seinem Team trug der junge peruanische Archäologe, wie jeden Tag, Sandschicht um Sandschicht ab in der vorinkaischen Tempelanlage “El Paraíso”.  Dabei legte er eine Feuerstelle frei, auf der die ersten Siedler Limas für ihre Gottheiten das heilige Feuer instand hielten. Auf bis zu 3000 Jahre vor Christus, also auf 5000 Jahre,  datierten die Archäologen den Fund, um 800 Jahre älter als erwartet – eine Sensation in archäologischen Kreisen. Denn bis jetzt kann nur die Ausgrabungsstätte Caral, ein paar Hundert Kilometer nördlich von Lima, mit diesem Alter aufwarten.Der erst 33-jährige Guillén hatte mit zwei noch jüngeren Assistenten und den Ausgrabungshelfern  mit viel Engagement und wenig Geld einen Fund gemacht, von dem viele Archäologen träumen dürften.

Die meisten Touristen kennen Macchu Picchu und nehmen Lima als notwendigen aber ungeliebten Zwischenstopp in Kauf, um in die Anden zu reisen. Dabei hat der 8-Millionen-Moloch Lima 500 vorinkaische archäologische Stätten vorzuweisen.  “Huaca”  nennt man in Peru die archäologischen Reste nicht nur der Inka sondern all der Völker vor ihnen, die die Anden und die Pazifikküste Südamerikas besiedelt hatten. Man findet die grauen Sandhügel allenthalben im Stadtgebiet von Lima: neben dem Armenviertel ebenso wie im heutigen Luxusviertel. Oft sind sie nicht mal durch einen Zaun geschützt. Die “Huaca El Paraiso” ist eine der grössten und unbekanntesten Huacas in Lima. Sie liegt am Ende des Stadtteils San Martin de Porras, vor 50 Jahren am Rande Limas gelegen, heute  mitten in der Stadt, an der Grenze zum Hafen-Distrikt Callao.

Grosse Pläne hat Marco Guillén mit der Huaca El Paraiso: ein Naherholungsziel soll die archäologische Stätte werden, die zudem einigen Menschen im ärmlichen Viertel San Martin de Porras Arbeit gibt. Denn die Huaca El Paraiso wird – im Gegensatz zu anderen Huacas -von einem lokalen Verein instand gehalten und bis heute für rituelle Veransaltungen genutzt. “Hermana Killa”, “Schwester Mond”, nennt sich Maria Rosales in Anlehnung an ihre indianische Herkunft aus den Anden. Jeden Tag sitzt sie an ihrem Stand vor der Huaca und informiert die wenigen Besucher über die einstigen Traditionen. Sie sieht sich als Erbin ihres Grossvaters, eines Schamanen aus dem nordperuanischen Huaraz. Jedes Jahr zur andinen Sonnwend (Inti Raymi) , organisiert sie zusammen mit dem Verein und Distriktsverwaltung ein Inti Raymi-Fest nach andinem Brauch.  (Hier ist ein Video vom diesjährigen Inti Raymi in der Huaca El Paraiso http://www.youtube.com/watch?v=jBDgSr8yU_o)

Es waren die Nachbarn der Huaca El Paraiso, die am 1. Juli nachmittags den Baggern Einhalt geboten, die eine noch nicht ausgegrabene Pyramide zerstört hatten und sich anmachten, die restlichen Erdhügel und damit auch die vorinkaischen Spuren zu beseitigen. Im Auftrag zweier Baufirmen waren die Arbeiter in die geschützte Zone eingedrungen. Im boomenden Lima ist Baugrund rar und die städtischen Beamten sind empfänglich für Bestechungsgelder. Von der Huaca El Paraiso wurden die Baufirmen nur dank der Wachheit der Anwohner vertrieben. Das ist nicht immer so.

Wieviele Huacas in Lima bereits einem Hochhaus zum Opfer gefallen sind ? Das weiss niemand genau. Dabei sind die archäologischen Ausgrabungsstätten neben den ausgewiesenen Naturschutzgebieten, die einzigen Zonen im Land, in denen per Gesetz nicht einfach eine Strasse, eine Mine oder ein Bohrloch gebaut werden kann. Jeder, der ein Grossprojekt vorhat, muss sich einen archäologischen Unbedenklichkeitsbescheid vorlegen. Ein Grossteil der peruanischen Archäologen – die auch hier sonst eher zur Gattung arbeitsloser Akademiker zählen -  arbeitet für den Staat oder für private Firmen in der Erstellung  dieser Gutachten . Das Kultusminsterium prüft sie dann und gibt die Zustimmung oder Ablehnung des Projektes – analog zu den Umweltgutachten.Für die meisten Firmen ist das CIRA  (certificado de inexistencia de restos arqueológicos) eine reine Formalität – die ihnen aber zulange dauert. Unter den jüngsten Massnahmen der peruanischen Regierung, um die Investitionen zu fördern, befindet sich auch eine neue Vorgabe für das Kultusministerium: wenn sie innerhalb von 20 Tagen die archäologischen Gutachten nicht geprüft haben, so tritt ihre Gültigkeit automatisch in Kraft.

Während um die Güte und Unparteilichkeit der Umweltgutachten in Peru wenigstens öffentlich debattiert wird, ist die Auslöschung des archäologischen Erbes zugunsten von Strassen,  Hochhäusern und Bergbauminen bisher lautlos vor sich gegangen.

viernes, 24 de mayo de 2013

Wunderpflanze aus den Anden hilft Kleinbauern


Foto: Edibleoffice
"In dieser kleinen Hütte haben wir vor 13 Jahren gelebt." Rolando Pari zeigt auf ein erdfarbenes, fensterloses Lehmziegelhäuschen von vielleicht 15 Quadratmetern. Damals war die achtköpfige Familie von der nahen Handelsstadt Juliaca im peruanischen Departement Puno zurück aufs Land gezogen, um ihre brachliegenden Äcker zu bestellen. Heute ist Rolando Pari 28 Jahre alt und Agraringenieur. Mit seinen Eltern und einigen Geschwistern lebt er in einem großzügigen weißgestrichenen Haus. Verdienten sie mit der Landwirtschaft zu Anfang 100 Soles (35 Euro) im Monat, so sind es jetzt rund 500 Euro - so viel wie ein fest angestellter Lehrer. Pari verdankt dieses Wunder einer Pflanze, die lange als Viehfutter verschmäht wurde: Quinoa, auch Andenkorn genannt.
Von Januar bis März wiegen sich Quinoa-Rispen auf den Feldern des Altiplano, der Hochebene rund um den Titicaca-See. Den Inka galt die Pflanze als heilig; die Spanier verteufelten sie wie alles Indigene. Eine Renaissance der Quinoa begann mit dem Aufkommen von Fairhandels-Läden ab den 70er Jahren. Die getreideähnlichen Samenfrüchte galten als gesund und alternativ. In Peru und Bolivien selbst aber aß Quinoa nur, wer sich Reis, Nudeln oder Weizenbrot nicht leisten konnte. Die Pflanze blieb die einfache Kost der Kleinbauern.
Schon vor 20 Jahren als Astronautennahrung gepriesen
Zwar wurde Quinoa schon vor 20 Jahren von der US-Weltraumbehörde NASA wegen ihres hohen Eiweißgehalts als Astronauten-Nahrung gepriesen. Ein Boom begann aber erst, seit immer mehr Nordamerikaner und Europäer an Gluten-Unverträglichkeit litten und Quinoa als Alternative zu Weizen, Roggen und Gerste entdeckten. Seit 2005 hat sich der Preis für die Anden-Pflanze verdreifacht, die Anbauflächen wachsen. Derzeit stammen 45 Prozent der Welternte aus Bolivien, 30 Prozent aus Peru. Die Welternährungsorganisation FAO sieht in dem Ackerprodukt ein Mittel gegen den Hunger in der Welt; UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief das Jahr 2013 zum Jahr der Quinoa aus.
"Seit rund 10 Jahren bemerken wir die steigende Nachfrage nach Quinoa", erklärt Luis Jesus Lopez. Der gebürtige Spanier ist Miteigentümer der Quinoa-Mühle "Altiplano SAC" in Juliaca - in erster Linie aber katholischer Priester. Zum Unternehmer wurde er, um Vorwürfen zu begegnen, die Kirche verteile nur Almosen. Der Geistliche machte die Probe aufs Exempel und gründete vor 18 Jahren die erste Quinoa-Mühle in Juliaca mit dem Ziel, Zwischenhändler auszuschalten und damit den Gewinnn der Bauern zu vergrößern. Gleichzeitig rief er eine Kooperative ins Leben; zu den ersten Teilhabern gehörte die Familie Pari. Heute verarbeitet "Altiplano SAC" in ihrer modernen und international zertifizierten Anlage 100 Tonnen organisch angebaute Quinoa pro Monat. Ihre Quinoa-Flocken, Quinoa-Popcorn und andere Produkte gehen an Importeure in Europa und Nordamerika.
Steigende Nachfrage bringt Mehreinnahmen und Konflikte
Die steigende Nachfrage brachte den Bauern Mehreinnahmen, aber auch Konflikte: Die Ausweitung der Anbaufläche geht auf Kosten der Lama-Zucht, die Pflanzen laugen die Böden aus, und zudem kommt es zu Besitzkonflikten um brachliegendes Land. Da die Quinoa inzwischen ein Luxusgut geworden ist - in Lima kostet ein Kilo Quinoa fast drei Euro, ein Kilo Reis dagegen einen Euro - verkaufen die Bauern ihre Quinoa lieber und essen selbst weniger nahrhaften Reis oder Nudeln.
Rolando Pari verdankt Quinoa seinen bescheidenen Wohlstand - aber allein auf das Anden-Korn will er nicht setzen: Klimaschwankungen und unvorhergesehene Kälteeinbrüche in den vergangenen Jahren haben mehrfach Ernten vernichtet. "Uns ist es mit der Landwirtschaft gut gegangen", sagt der 28-Jährige trotzdem. Zurück in die Stadt will er nicht. Als Jung-Unternehmer hat er klare Vorstellungen, wie er die Landwirtschaft diversifizieren und ausbauen kann. Dass ein junger Peruaner wie er auf dem Land wieder eine Perspektive sieht - das ist das eigentliche Wunder in den Anden.
Quelle: KNA, Autorin: Hildegard Willer

sábado, 11 de mayo de 2013

Alasitas - schöne indigene Welt

Die Stände bieten  feil, was das Herz begehrt: Häuser in allen Bauphasen, vom Rohbau bis zu mehrstöckigen Geschäftshaus mit Spiegelglasfassade und Friseursalon, Autos (besonders beliebt: Pick-ups mit Vierradantrieb), ein Topf mit Goldtalern, Abschlussurkunden der renommiertesten Universitäten, Reisepaesse, und dazwischen immer wieder Bündel von Geld, Geld, Geld.Die Menschen drängen an die Verkaufsstände, besonders beliebt sind Geldscheine und Universtätstitel. All die Artikel gibt es als Miniaturen auf dem Jahrmarkt “Alasitas” in Puno zu kaufen. Mit dem Kauf alleine ist es jedoch nicht getan. Nur wenn man daran glaubt ,  wird der  Wunsch tatsächlich in Erfüllung gehen. Die Verkäuferinnen segnen das gekaufte Kleinod über dem Weihrauch mit ein paar Aymara-Worten, besprengen es mit billigem Wein, schütten gelbes Konfetti dazu und überreichen es Dir in der unvermeidlichen Plastiktüte. Danach bringen viele das Gekaufte nochmal in die nahegelegene Kapelle, um es auch vom katholischen Priester segnen lassen. Doppelt genäht hält besser.  Jedes Jahr Anfang Mai wird im peruanischen Puno der Jahrmarkt der Wünsche abgehalten, “Alasitas” genannt, und es herrscht kein Zweifel daran, dass die Menschen in Puno – wie auch im benachbarten Bolivien, wo das “Alasitas” ebenfalls intensiv gefeiert wird – fest an dessen Wirksamkeit  glauben. Ganze Familien scharen sich mit ihren Miniatur-Käufen um die Yatiris, die indigenen Priester, die an Alasitas das Geschäft des Jahres machen. Die Bezahlung darf dann auch gerne in einem Kasten Bier bestehen, mit dem das Gekaufte besprengt und gesegnet wird – zuvor wird der Mutter Erde, der Pachamama, ihr Schluck Bier gegeben, so will es der Brauch.
 
 
Ach die Pachamama! So oft zitiert in den Schriften über die andine Kosmovision vom Guten Leben, der zufolge der Mensch in Einklang mit der Natur lebt, im Gegensatz zu unserer westlichen Zivilisation, die alle mit Wohlstandsmüll überschüttet.  Die Pachamama ist an Alasitas so wenig zu finden, wie eine “Pituca” aus dem Limaer Nobelviertel San Isidro, wo das Indigene höchstens im von Gaston Acurio veredelten Speisegericht goutiert wird.
Ein paar Schritte neben den Ständen stirbt der Titicaca-See an ungeklärt eingelassenen Abwaessern  der Stadt Puno oder an der toxischen Arsen-Cadmium-Quecksilber-Mischung, die illegale Bergleute flussaufwärts ins Wasser schütten. Der Titicaca-See war 2012 zum bedrohten See des Jahres ernannt worden. Die Menschen in Puno scheint das nicht zu stören: kein einziger Wunsch ist zu kaufen, der die Heilung der Umwelt zum Thema hat. Stattdessen Geld, Gold, Waschmaschine, Haus und Auto. Das ist Gutes Leben. In Puno wie anderswo auch.
 
Die indigene Vision vom Guten Leben sei den Bolivianern und Peruanern,  von aussen aufoktroyiert worden. Die sogenannte andine Kosmovision würde vor allem den Projektionen der westlichen Wohlstandsgesellschaften entspringen, mehr als der tatsächlichen andinen Welt. Die sei in ihrer harten Natur nämlich nie komplementär oder harmonisch gewesen, sondern mit ihren wiederkehrenden Dürren verdammt hart. Und dass das komplementäre Zusammenleben von Frau und Mann auch in den Anden nicht funktioniert, zeigten nur schon die schreiend hohen Ziffern häuslicher Gewalt.  Das schreibt der Bolivianer Carlos Macusaya in der Zeitschrift Pukara (http://www.periodicopukara.com/archivos/pukara-81.pdf)
Sollte es tatsächlich so sein, dass ein Bewusstsein für das gemeinsame Gut “Umwelt” erst dann wachsen kann, wenn die grundlegenden materiellen Bedürfnisse gedeckt sind ? Und zu letzteren gehören, wenn man den Alasitas-Markt interpretiert, auch in den Anden ein Haus, Waschmaschine, Geld und  – die deutschen Autobauer wird´s freuen – ein eigenes Auto.
Die Utopie eines anderen, weniger materiellen, zukunftgerichteten und umweltschonenden Lebensstils ohne Wirtschaftswachstum wird wohl nicht aus den Anden kommen. Diese Utopie werden sich die Europäer  selber mühsam schaffen müssen.