Die Stände
bieten feil, was das Herz begehrt: Häuser in allen Bauphasen, vom
Rohbau bis zu mehrstöckigen Geschäftshaus mit Spiegelglasfassade und
Friseursalon, Autos (besonders beliebt: Pick-ups mit Vierradantrieb),
ein Topf mit Goldtalern, Abschlussurkunden der renommiertesten
Universitäten, Reisepaesse, und dazwischen immer wieder Bündel von Geld,
Geld, Geld.Die Menschen drängen an die Verkaufsstände, besonders
beliebt sind Geldscheine und Universtätstitel. All die Artikel gibt es
als Miniaturen auf dem Jahrmarkt “Alasitas” in Puno zu kaufen. Mit dem
Kauf alleine ist es jedoch nicht getan. Nur wenn man daran glaubt ,
wird der Wunsch tatsächlich in Erfüllung gehen. Die Verkäuferinnen
segnen das gekaufte Kleinod über dem Weihrauch mit ein paar
Aymara-Worten, besprengen es mit billigem Wein, schütten gelbes Konfetti
dazu und überreichen es Dir in der unvermeidlichen Plastiktüte. Danach
bringen viele das Gekaufte nochmal in die nahegelegene Kapelle, um es
auch vom katholischen Priester segnen lassen. Doppelt genäht hält
besser. Jedes Jahr Anfang Mai wird im peruanischen Puno der Jahrmarkt
der Wünsche abgehalten, “Alasitas” genannt, und es herrscht kein Zweifel
daran, dass die Menschen in Puno – wie auch im benachbarten Bolivien,
wo das “Alasitas” ebenfalls intensiv gefeiert wird – fest an dessen
Wirksamkeit glauben. Ganze Familien scharen sich mit ihren
Miniatur-Käufen um die Yatiris, die indigenen Priester, die an Alasitas
das Geschäft des Jahres machen. Die Bezahlung darf dann auch gerne in
einem Kasten Bier bestehen, mit dem das Gekaufte besprengt und gesegnet
wird – zuvor wird der Mutter Erde, der Pachamama, ihr Schluck Bier
gegeben, so will es der Brauch.
Ach die Pachamama! So
oft zitiert in den Schriften über die andine Kosmovision vom Guten
Leben, der zufolge der Mensch in Einklang mit der Natur lebt, im
Gegensatz zu unserer westlichen Zivilisation, die alle mit
Wohlstandsmüll überschüttet. Die Pachamama ist an Alasitas so wenig zu
finden, wie eine “Pituca” aus dem Limaer Nobelviertel San Isidro, wo das
Indigene höchstens im von Gaston Acurio veredelten Speisegericht
goutiert wird.
Ein paar Schritte
neben den Ständen stirbt der Titicaca-See an ungeklärt eingelassenen
Abwaessern der Stadt Puno oder an der toxischen
Arsen-Cadmium-Quecksilber-Mischung, die illegale Bergleute flussaufwärts
ins Wasser schütten. Der Titicaca-See war 2012 zum bedrohten See des
Jahres ernannt worden. Die Menschen in Puno scheint das nicht zu stören:
kein einziger Wunsch ist zu kaufen, der die Heilung der Umwelt zum
Thema hat. Stattdessen Geld, Gold, Waschmaschine, Haus und Auto. Das ist
Gutes Leben. In Puno wie anderswo auch.
Die indigene Vision
vom Guten Leben sei den Bolivianern und Peruanern, von aussen
aufoktroyiert worden. Die sogenannte andine Kosmovision würde vor allem
den Projektionen der westlichen Wohlstandsgesellschaften entspringen,
mehr als der tatsächlichen andinen Welt. Die sei in ihrer harten Natur
nämlich nie komplementär oder harmonisch gewesen, sondern mit ihren
wiederkehrenden Dürren verdammt hart. Und dass das komplementäre
Zusammenleben von Frau und Mann auch in den Anden nicht funktioniert,
zeigten nur schon die schreiend hohen Ziffern häuslicher Gewalt. Das
schreibt der Bolivianer Carlos Macusaya in der Zeitschrift Pukara
(http://www.periodicopukara.com/archivos/pukara-81.pdf)
Sollte es tatsächlich
so sein, dass ein Bewusstsein für das gemeinsame Gut “Umwelt” erst dann
wachsen kann, wenn die grundlegenden materiellen Bedürfnisse gedeckt
sind ? Und zu letzteren gehören, wenn man den Alasitas-Markt
interpretiert, auch in den Anden ein Haus, Waschmaschine, Geld und –
die deutschen Autobauer wird´s freuen – ein eigenes Auto.
Die Utopie eines
anderen, weniger materiellen, zukunftgerichteten und umweltschonenden
Lebensstils ohne Wirtschaftswachstum wird wohl nicht aus den Anden
kommen. Diese Utopie werden sich die Europäer selber mühsam schaffen
müssen.
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