domingo, 29 de enero de 2012


Peru/Schweiz

Humala - Neuer Shootingstar in Davos

Im schweizerische Davos findet das Weltwirtschaftsforum statt. Foto: Flickr
Vor einem Jahr galt er in Wirtschaftskreisen noch als peruanischer Hugo Chávez, der das Andenland Peru in ein zweites Kuba verwandeln würde. Sechs Monate nach seinem Amtsantritt als peruanischer Präsident reist Ollanta Humala zum Stelldichein mit der weltweiten Elite ins schweizerische Davos zum Weltwirtschaftsforum. Investoren werben will der 48-jährige Humala, der als junger Militär und Putschist gegen den Diktator Alberto Fujimori vor zwölf Jahren erstmals von sich reden machte. Dabei mag er sich den ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva zum Vorbild genommen haben, der sich zur Überraschung aller vor zehn Jahren als Star in Davos entpuppt hatte.
Eines unterscheidet jedoch Humala von Lula. Ollanta Humala sieht sich selbst nicht als Linker, wie er vor kurzem in einem seiner seltenen Interviews verkündete. „Ich bin kein Linker, sondern ein Nationalist, dem es um die soziale Gerechtigkeit geht“, sagte Humala der spanischen Tageszeitung "El Pais". Aber auch mit der Rechten würde er sich nicht identifizieren. Dafür hat die Rechte umsomehr Gefallen an dem ehemaligen Bürgerschreck-Präsidenten gefunden.
Peru profitiert von Wirtschaftskrise der Anderen
Vor seiner Abstecher nach Davos, machte er in Madrid Station. Im wirtschaftlich darbenden Spanien war er heftig umworben von König, Präsident und Unternehmern. Denn der peruanische Präsident kommt dieses Mal nicht als Bittsteller, sondern als Vertreter eines aufstrebenden Landes. Die peruanische Zentralbank hat eben wieder einen Rekord an Devisenreserven bekannt gegeben und verkündet, sie sei gut gewappnet, falls die Eurokrise auch auf Lateinamerika überschwappen sollte. Das Wirtschaftswachstum variiert seit Jahren zwischen sieben und acht Prozent und soll im nächsten Jahr nur vier bis fünf Prozent betragen. Die Peruaner haben letztes Jahr, gleich nach den Kolumbianern, am meisten Neuautos in ganz Lateinamerika gekauft. „Wir hoffen, dass der Wind der Krise an uns vorbeiweht“, sagte Humala gönnerhaft in Spanien.
Wie kaum ein Land profitiert Peru von der Wirtschaftskrise der Anderen: Perus Kupfer wird in chinesischen Fabriken nachgefragt, und je mehr Dollars und Euros in die Krise geraten, desto mehr gieren die Anleger nach peruanischem Gold. Wichtigste Handelspartner Perus sind heute China, wegen der Metallexporte, und die kleine Schweiz wegen der Goldexporte, die zumindest über Schweizer Bilanzen laufen. Kein Wunder, dass Humala seinen Besuch in Brüssel auf März verschoben hat – der Freihandelsvertrag mit der Europäischen Union kann angesichts der gut laufenden Geschäfte warten.
Hohe Rohstoffpreise bringen Geld und Konflikte
Peru möchte Investitionen, aber nicht irgendwelche. Humala weist immer wieder darauf hin, dass Peru Technologietransfer braucht, damit es nicht im Rohstoffexport stecken bleibt. Denn obwohl die hohen Rohstoffpreise Humalas Regierung das Geld einbringen, damit er seine versprochenen Sozialprogramme umsetzen kann, so sorgen sie zu Hause in Peru auch für anhaltende Konflikte.
„Conga“ heisst das Goldabbauprojekt, das Humala schon einige schlaflose Nächte bereitet haben dürfte. Der Regionalpräsident von Cajamarca sowie eine breite Bürger- und Bauerninitaitive stellt sich gegen die bereits genehmigte Erweiterung der grössten Goldmine Südamerikas, Yanacocha. Ein internationales Expertenteam soll nun innerhalb von 40 Tagen feststellen, ob die beabsichtigte Mine tatsächlich den Bauern und Bewohnern der Stadt Cajamarca das Wasser abgraben wird. Die Bergbau-Gegner aus Cajamarca befürchten , dass das neue Gutachten nur eine Alibi-Übung ist, und die Regierung das Bergbauprojekt auf jeden Fall durchdrücken will. Beim Conga-Konflikt geht es auch um die Machtverteilung zwischen Zentralregierung und gewählter Regionralregierung.
Die Reichtümer Perus werden in den Regionen gefördert – letztendlich bestimmt aber darüber die Regierung in Lima. Jedoch sind in Peru auch die Regionalregierungen selbstbewusster geworden - und damit hat der Nationalist Humala durchaus seine Mühe. Angesichts dieser häuslichen Schwierigkeiten mag es für den ehemaligen Linken Humala verlockend sein, sich in Davos als neuen Shooting-Star unter Lateinamerikas Präsidenten feiern zu lassen.
(aus: www.blickpunkt-lateinamerika.de)

lunes, 16 de enero de 2012

Peru und die Rallye Dakar

Platz für die schönen Weißen

Asia, Zielort der Rallye Dakar, steht für Rassismus in Peru

Von Hildegard Willer (KNA)
Lima (KNA) Nur noch dem Namen nach hat die Rallye Paris-Dakar mit Afrika zu tun. Dieses Jahr führt das Autorennen von Argentiniens Metropole Buenos Aires nach Lima in Peru und endet in Asia. In diesem Fall ist nicht der Kontinent gemeint, sondern ein mondäner Badeort rund 100 Kilometer südlich der peruanischen Hauptstadt. Dort wird am Sonntag entschieden, wer am schnellsten die Querfeldein-Strecke über die Anden und die Wüste am Pazifik bewältigt hat. Danach wird die Karawane im Korso für die Siegerehrung auf den Hauptplatz von Lima fahren.
Endstation des Rennens ist aber Asia. Für viele Peruaner ist der Badeort keineswegs ein Symbol des Motorsports, sondern steht für jenen Rassismus, der das Andenland bis heute prägt. Vor fast genau vier Jahren erlebte Asia eine Invasion besonderer Art: Am 28. Januar 2007 besetzten Hunderte junger Menschen den Strand und mischten sich unter die gut betuchten Badegäste. Gekleidet waren die Frauen in dunkelblauem Drillich, aus dem üblicherweise die Arbeitskleidung peruanischer Hausangestellter geschneidert ist.
Damit wollten sie dagegen protestieren, dass Bediensteten in Asia das Baden im Meer verboten wurde - und dies, obwohl alle Strände kraft Gesetz in Peru öffentlich zugänglich sein müssen. Hausangestellte werden in Asia nicht gern am Strand gesehen. Sie sollen unsichtbar bleiben, obwohl sie unentbehrlich sind. Ohne sie, die sich um die Kinder und den Haushalt kümmern, könnten sich wesentlich weniger Frauen und Männer dem lässigen Strandleben hingeben.
Die Strandkundgebung mit dem Namen "Operation mutige Hausangestellte" fand ein großes Medienecho. Die Bürger von Asia mussten ihre Baderegeln ändern. Seitdem dürfen auch Hausangestellte ihre Arbeitskluft aus- und den Bikini anziehen und die Pazifikwellen genießen.
Auch wenn diese Benachteiligung beseitigt ist. Der zugrundeliegende Rassismus im Land schwelt weiter. Die reichen Badegäste Asias sind meist weißer Hautfarbe, während die Dienstboten, so wie die Mehrheit aller Peruaner, indigene Vorfahren haben. "In den vergangenen vier Jahren hat sich Einiges getan in Sachen Diskriminierung", berichtet Wilfredo Ardito.
Der Anwalt, Vorkämpfer für die Gleichberechtigung von Menschen aller Hautfarben, verweist darauf, dass in jüngerer Zeit mehrere Gemeinden Verordnungen gegen ethnische Diskriminierung erlassen haben. Seitdem dürfen Lokale nicht mehr den Zugang wegen der Abstammung verwehren, und auch Stellenausschreibungen dürfen die Anforderung "gutes Aussehen" - eine peruanische Umschreibung für "weißhäutig" - nicht mehr verwenden.
Dennoch ist es ein langwieriges Unterfangen, Vorbehalte zu ändern. Eine jüngste Studie der renommierten Wirtschaftsuniversität "Universidad del Pacifico" brachte ans Licht, dass auf dem peruanischen Arbeitsmarkt ethnische Diskriminierung weiter an der Tagesordnung ist. Vor allem indigen aussehende Frauen haben es schwer, einen qualifizierten Job zu finden. Bis heute verdienen dunkelhäutige Peruaner 50 Prozent weniger als ihre helleren Landsleute.
Nach Meinung von Wilfredo Ardito fehlt eine aktive Antidiskriminierungspolitik in den einzelnen Abteilungen der peruanischen Behörden. Bislang werde kein Beamter dahingehend geschult, offenen oder verdeckten Rassismus aufzudecken und zu ahnden. "Der Rassismus bei uns ist zwar nicht mehr so offen, aber er wird von ganz vielen noch als normal, als natürlich angesehen", so Ardito.
Wenn am Sonntag staubbedeckte Autos und Motorräder samt ihren müden, hoffentlich unverletzten Fahrern den Strand von Asia belagern, werden auf den Pressebildern vor allem weißhäutige Peruaner zu sehen sein. Und alle werden das für ganz normal halten.


domingo, 8 de enero de 2012

Goldrausch in Santa Rosa

Marcelino Correa von der Bauerngemeinschaft Santa Rosa de Suyo

Als Arcesio Gonza an jenem Samstagabend  im August vor einem Jahr den Gottesdienst verliess, wusste er nicht, dass er  eben sein letztes Gebet gesprochen hatte. Fünf Häuserzüge waren es von seiner evangelischen Gemeinde zu seinem Haus im Dorf Santa Rosa de Suyo. Beim vierten Block trat ein vermummter Mann aus dem Schatten, stach mit dem Messer mehrmals auf Arcesio ein. Er fiel zu Boden, sah noch, wie der Angreifer sich auf seine Frau Benancia stürzte, die laut um Hilfe schrie. Der Sohn hörte die Hilfeschreie  im nahen Haus, konnte den Meuchelmörder in die Flucht schlagen. Auf der Fahrt ins nächste Krankenhaus an der  Grenze zu  Ecuador starb Arcesio, seine Frau und nunmehr Witwe überlebte. Der Mörder wurde bis heute, fast eineinhalb Jahre später, nicht gefasst.

Arcesio Gonza  aus dem nordperuanischen Dorf Santa Rosa de Suyo starb, weil er sich weigerte, reich zu werden.

Die Erde, auf der er und seine Vorfahren seit Jahrhunderten leben, enthält Gold. Das  ist nichts Neues. Neu ist, dass der Goldpreis so hoch ist, dass es mindestens das 10-fache einbringt, die Erde nach Gold umzugraben, statt weiterhin Ziegen und magere Kühe darauf weiden zu lassen. Der 54-jährige Bauer Arcesio war Gemeinderat und hatte mitentschieden, dass  auf dem Gemeindegebiet jedoch  nicht nach Gold gegraben werden dürfe. Einige Bauern hielten sich nicht an die Abmachung, gruben auf ihrem Land dennoch nach Gold und errichteten Goldwaschanlagen, in denen sie mit hochgiftigem Quecksilber die Goldkörner vom Rest der Steine trennen.  Der Gemeinderat liess die Goldgruben wieder zuschütten, die Goldgräber öffneten sie wieder, die gegenseitigen Beschuldigungen und Drohungen nahmen überhand – bis an jenem Abend des 21. August 2010 Arcesio Gonza umgebracht wurde.

Über ein Jahr später erzählte mir Marcelino Correa in einem Kaffee nahe beim Busbahnhof der nordperuanischen Stadt Piura wie das Unheil mit dem Mord an Arcesio Gonza in seinem Dorf Santa Rosa seinen Ausgang nahm. Marcelino ist 25 Jahre alt, sein Unterarm ist mit Stempeln aller Art übersät. Es ist ein Zeichen, dass er gerade im Gefängnis  zwei seiner Gemeinderatskollegen besucht hat, die dort  wegen Mordes angeklagt sind.Der Mord an Arcesio  Gonza hat eine Welle von Gewalt und Gegengewalt ausgelöst . Im Dorf Santa Rosa de Suyo findet heute ein Kleinkrieg statt zwischen Bauern, die Gold abbauen  und Bauern, die dagegen sind.
Marcelino gehört, ebenso wie seine zwei verhafteten Freunde, zur Fraktion der Bauern. Alle fünf Minuten klingelt sein Handy, Marcelino beschwichtigt die Zuhörer, dass es ihm gut geht und er gleich losfahren wird. „Meine Familie hat Angst, dass mir was passiert“,  erklärt er. „Jemand hat ausgesagt, er habe mich an einem Tatort gesehen, damit werde ich verdächtig als nächstes Opfer“.

Marcelino Correa ist ein junger Bauer , alles andere als reich. Trocken ist es in Santa Rosa, da wachsen keine Maracuja oder Mango, die man exportieren könnte, wie es 100 Kilometer weiter talabwärts der Fall ist. In Santa Rosa de Suyo gibt es Ziegen und ein paar magere Kühe, die sich im Gestrüpp ihre Nahrung suchen. Sonst nichts. Warum in aller Welt , so frage ich, handelt Ihr gegen jegliche ökonomische Vernunft und grabt Ihr nicht auch lieber nach Gold ? Bei dem hohen Goldpreis wäre das ein Bombengeschäft, und zu verlieren habt Ihr ja nichts.
Marcelino wird nachdenklich. „Gold ist schnelles Geld und schafft Ungleichheiten und Zwist in der Gemeinschaft“. Sie hätten Angst, dass dadurch ihre Gemeinschaftswerte verloren gingen und dass die zügellose Gier Einzug hielte.  Auch die Bedenken gegen die Umweltverschmutzung durch den Goldabbau spielten eine Rolle. „Wir haben wenig Holz, und die Bergleute brauchen das wenige Holz als Stützstreben in ihren Stollen“.  Aber haben sie eine Alternative zum Goldabbau  ? Marcelino träumt vom organischen Kaffeeanbau, aber bisher steht noch keine einzige Kaffeestaude auf seinem Land.
Marcelinos Handy klingelt zum dritten Mal in 30 Minuten. Seine Freundin ist am Apparat, der junge Mann beruhigt sie. „Ich fahre jetzt gleich mit dem Bus los nach Santa Rosa, in zwei Stunden bin ich dort“.

Marcelino ist damals gut in seinem Dorf angekommen. Er ist auch heute, an Weihnachten 2011, noch am Leben. Die Zahl der wegen des Goldes ermordeten Menschen in seinem Bezirk – sowohl Begleute wie Bauern - ist in den letzten beiden Monaten jedoch auf 14 angestiegen.

Ich weiss nicht, wer die Morde ausgeführt hat. Aber ich weiss, warum mich die Geschichte der Bauern von Santa Rosa de Suyo so berührt hat: in einem Jahr, in dem die Rede vom Wirtschaftswachstum  alles bestimmt, in dem ich einerseits in einem Land – Peru -  lebe, das sich im kollektiven Goldrausch befindet , mit einer Hauptstadt, in der an jeder Strassenecke  ein neues Einkaufszentrum entsteht, um das Geld aus dem Goldabbau auch gleich wieder ausgeben zu können.   Und andererseits in einem Jahr der Horrornachrichten aus Europa, weil eben dieses Wirtschaftswachstum ausbleibt, und alle wie verrückt Gold kaufen, weil sie glauben, damit ihre Ersparnisse vor einem  drohenden Wirtschaftskollaps  zu retten.   In einer Zeit, in der Gier hoffähig geworden ist, und in der jeder für blöd erklärt wird, weil er nicht seinen kurzfristigen materiellen Vorteil sucht: in einer solchen Zeit auf Menschen wie Marcelino zu treffen, die – entgegen aller ökonomischen Vernunft  -  sagen: „Wir verzichten auf Gold, denn das bringt nur Zwist und Umweltzerstörung“ – das ist fast wie Weihnachten.