sábado, 6 de noviembre de 2010

Alan García, Dirk Niebel und das Ge-Denken





Am 4. November legten Alan García und Dirk Niebel in Lima den Grundstein für ein „Museum der Erinnerung“ an die Opfer des vergangenen Bürgerkrieges. Der Bau der Gedenkstätte war bis zuletzt umstritten – eine deutsche Entwicklungshilfeministerin und ein frischgekürter Nobelpreisträger hatten erheblichen Anteil daran, dass sie nun doch gebaut wird.


Alan Garcias Lieblingsthema ist die Zukunft. Die grossartige Zukunft, die Peru, das Land, das er regiert, mit seinem nun seit 10 Jahren anhaltenden Wirtschaftswachstum noch vor sich habe. Am 4. November allerdings musste er sich mit einer weniger berauschenden Seite der jüngsten Vergangenheit Perus befassen. Zusammen mit dem deutschen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel, legte er den Grundstein für eine nationale Gedenkstätte. Dort soll der Opfer des vergangenen Bürgerkrieges gedacht werden. Der neu amtierende Minister Dirk Niebel ist dabei, weil die Bundesrepublik Deutschland 2 Millionen Euro dazu gibt. Er beglückwünsche Peru zu seinem Mut, so Niebel, sich seiner schmerzhaften Erinnerung zu stellen, damit sich die Tragödie des Bürgerkrieges nicht wiederhole. Alan García ist dabei, weil ihm wohl gar nichts anderes übrigbleibt, als eine halbwegs gute Miene zum in seinen Augen linken Spiel zu machen.
Ausgelöst hatte die öffentliche Debatte um die Aufarbeitung der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der maostischen Terrorgruppe „Leuchtender Pfad“ und Militär und Polizei der Bericht einer Wahrheitskommission. 70 000 Peruaner seien im Bürgerkrieg umgekommen, errechnete die Kommission 2003 und nannte die Verantwortlichen in Militär und Politik beim Namen. Auch der seit 2005 zum zweiten Mal amtierende Präsident Alan García kam im Bericht nicht ungeschoren davon, fielen doch in seine erste Amtszeit 1985 – 1990 mehrere Massaker und Menschenrechtsverletzungen. Als die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heide Wieczorek-Zeul denn anlässlich ihres Peru-Besuchs vor zwei Jahren sich für die Aufarbeitung des Bürgerkrieges einsetzte und eine deutsche Spende für den Bau einer Gedenkstätte anbot, war die Reaktion bei der beschenkten Seite eher verhalten. Das Geld könne man besser direkt für die Armen einsetzen, hiess es aus peruanischen Regierungskreisen. Vielleicht wäre Wiecozorek-Zeuls Absicht eine solche geblieben, wenn nicht Mario Vargas Llosa zur Feder gegriffen hätte. Peru brauche sehr wohl ein Museum der Erinnerung, auch dieses diene der Entwicklung des Landes, verkündete der bekannteste lebende peruanische Schriftsteller in seiner weltweit gelesenen Zeitungskolumne.
Aufgrund des öffentlichen Drucks und der moralischen Autorität des berühmten Literaten lenkte Alan García in den Bau der Gedenkstätte ein und setzte noch eins drauf: er machte Vargas Llosa zum Vorsitzenden der offiziellen Gedenkstätten-Kommission. Und versuchte derweil, seine Haut und die der angeklagten Militärs auf andere Weise zu retten. Ein Amnestiegesetz sollte durch die Hintertür die Verurteilung von Militärangehörigen und Polizisten wegen Menschenrechtsverbrechen verhindern. Wiederum griff Vargas Llosa ein. In einem öffentlichen Protestbrief gab er Mitte September den Vorsitz der Kommission zurück. Die peruanische Regierung zog daraufhin den Gesetzesvorschlag zurück. Zwei Wochen später gab das Nobelpreiskomitee bekannt, dass Mario Vargas Llosa den diesjährigen Literaturnobelpreis erhalten wird.
Vier Wochen später, am 4. November, sind weder Heide Wieczorek-Zeul noch Mario Vargas Llosa anwesend, als der Grundstein für das Museum gelegt wird. Die deutschen Wähler wollten, dass statt Wieczorek-Zeuls nun ihr Amtsnachfolger Dirk Niebel in Lima Wilhelm von Humboldt zitieren darf: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“. Präsident Alan García dagegen mag an den ersten peruanischen Nobelpreisträger Vargas Llosa denken, wenn er mit eher gequälter Miene sichselbst dazu beglückwunscht, „dass er diese Stätte des Denkens einweihen darf“. Und so ganz nebenbei aus dem „Ge-denken“ (memoria) das Denken allgemein („pensamiento“) macht.

domingo, 24 de octubre de 2010

Missionar wegen Einsatz für Kleinbauern vor Gericht

Liebe Freundinnen und Freunde,

im Namen der Menschenrechtsgruppe der Infostelle Peru möchte ich Euch bitten, folgende Solidaritätsbekundung mit P. Mario Bartolini zu unterschreiben. In Peru sind gerade Ordensleute, die sich für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit einsetzen, immer mehr zur Zielscheibe von Regierung und Grossunternehmen geworden. Die Aktion eilt, weil Mario Bartolini bereits am 26. Oktober vor Gericht steht. Bitte schickt mir deshalb bis spätestens morgen, Montag, 12 Uhr mittags, Eure Einwilligung zu, Eure Unterschrift unter nachfolgende Solidaritätsbekundung zu setzen. Eine kurze Rückmeldung mit dem Vermerk "Ich unterschreibe" genügt an mein Mail oder als Comment am Ende dieses Blogs. Den Brief werden wir mit allen Unterschriften sofort der peruanischen Botschaft in Berlin zukommen lassen.
Gerne könnt Ihr den Solidaritätsaufruf auch in weitere Kreise streuen.

Danke für Eure Aufmerksamkeit und Solidarität,

Hildegard

Solidaritätsbekundung mit Pater Mario Bartolini

Wir, die Infostelle Peru e.V. und alle Unterzeichnenden, solidarisieren uns mit dem italienischen Priester Mario Bartolini, der am 26. Oktober vor dem Ersten Gemischten Gerichtshof des "Alto Amazonas" wegen Aufruhr gegen die öffentliche Ordnung vor Gericht steht.

Pater Mario lebt seit 35 Jahren in Peru im Amazonasgebiet. Er hat dort, in den ärmsten und vernachlässigsten Zonen Perus, die indigenen Völker und die Kleinbauern pastoral begleitet. In den 80-er Jahren wurde P. Mario von der bewaffneten Gruppierung MRTA bedroht, er solle das Gebiet verlassen. Pater Mario Bartolini ist geblieben.

Im Jahr 2006 begann die Auseinandersetzung mit der Gruppe Romero, dem grössten peruanischen Mischkonzern Perus. Die Romero-Gruppe will im grossen Stil Palmölpflanzen anbauen auf einem Gebiet, das bereits von Kleinbauern besiedelt ist. Pater Mario und die Ordensfrauen der Zone haben den Kleinbauern dabei geholfen, sich gegen ihre Vertreibung zu wehren,und haben sich deswegen Strafprozessen und Verleumdungskampagnen ausgesetzt.
Als es im Juni 2009 zu Indianerprotesten im Amazonasgebiet kam, war das Einschreiten von P. Mario Bartolini ausschlaggebend, damit es in Barranquita nicht zu den gleichen gewaltsamen Zusammenstössen kam wie dies in Bagua der Fall war. Da sich P. Mario mit den Indigenen solidarisierte, haben Vertereter der Regierungspartei ihn, einen Anführer der Indigenas und den Direktor des katholischen Lokalradios "Radio Oriente" polizeilich angeklagt.


Dieser Prozess spiegelt die Interessenkoalition zwischen Wirtschaft und Politik zu Ungusten der Armen wieder. Vor einigen Monaten haben die Solidaritätskundgebungen vieler Menschen verhindert, dass der britische Missionar Paul McAuley wegen seines Engagements für die Umwelt aus Peru ausgewiesen wurde. Heute drücken wir unsere Solidarität mit Pater Mario Bartolini aus, damit auch er nicht ausgewiesen wird.

miércoles, 20 de octubre de 2010

Rebelión en Mercedeslandia


Rebelión en Mercedeslandia

Imagínese que la revolución no nazca en Puno sino en el acomodado distrito de San Isidro en Lima. Algo así está sucediendo en Alemania. Desde hace semanas, imágenes de policías pegando con bastones a colegialas indefensos, o bombas lacrimógenas tiradas contra amas de casa mantienen en vilo a los alemanes. No es que nunca hubiesen protestas públicas aquí, pero solían ser atribuidos a grupos de la extrema izquierda o derecha “caóticos” que se libran batallas callejeras en las metrópolis de Berlin o Hamburgo. Pero no en Stuttgart, la apacible capital del estado federal de Baden-Württemberg .Los suabos que viven aquí tienen fama de ser los más tacanhos entre los tribus germanos y a la vez los técnicos más ingeniosos, dos características que hicieron de Baden-Württemberg el estado más próspero y más conservador de la república. Aquí es la cuna de los autos Mercedes y Daimler , la región de Stuttgart representa la clase media acomodada par excellence, pequenhos y medianos empresarios y empleados bien asalariados y solo marginalmente afectados por la crisis financiera ya que los chinos continúan comprando autos alemanes por dozenas.
Hace apenas un anho, la canciller Angela Merkel , en medio de la crisis financiera, alabó como modelo nacional a la “ama de casa de Suabia” porque esta, según Merkel, sabía que no puede gastar más de lo que tiene. Hoy, la misma ama de casa suaba se entrena para la protesta pacífica y pone en jaque a la democracia alemana. El motivo puede sonar banal. La construcción de un ultramoderno nuevo terminal de tren bajo tierra que debería hacer más rápido el viaje de Paris a Bratislava y catapultar a la ciudad trabajadora pero algo dormida a la cúspide del desarrollo urbano del siglo XXI. El costo de este proyecto “Stuttgart 21”: una cantidad cada vez más grande de euros, hasta ahora se habla de 5 mil millones, la tala de un parque urbano de árboles y la visión de vivir durante anhos en un sitio de construcción ruidoso ha encendido tanto los ánimos de los ciudadanos que hasta padres de familia mandan a sus hijos a protestar y no al colegio.
Lo que mantiene perplejos a los políticos en Berlin y Stuttgart es que el proyecto Stuttgart 21 ha sido debatido desde hace 15 anhos en cuánto gremio de la democracia parlamentaria que pueda haber antes de que recibió la luz verde. Parece una democracia sin efecto. Cuando los primeros bulldozers empezaron a demoler los árboles, los ciudadanos ya no se acordaban de las 15 000 interpelaciones que el “Planstellungsverfahren” , el procedimiento administrativo previsto para apelaciones ciudadanas (y que es tan burocrático como la palabra suena, hasta en los oídos de los propios alemanes), había procesado. La gente e Stuttgart salió y sigue saliendo en cantidades a protestar contra la demolición de su parque. Pero sólo es una protesta por cuidar unos árboles ? En las protestas de Stuttgart se manifiesta la grieta entre política y pueblo que ha alcanzado también al corazón de Europa. Se manifiesta también un malestar con un desarrollo modernizador a un alto costo, pagado con más deudas, cuyo único beneficio es poder viajar en 30 minutos en vez de 60 minutos a la próxima ciudad de Ulm. La promesa del más rápido, más alto, más moderno parece estar perdiendo su brillo .
Interesante como los argumentos que se esgrimen se parecen a las que se escuchan en el Perú cuando el pueblo no quiere un proyecto minero o una hidroeléctrica: los empresarios salen con el argumento de la competitividad y que si no se construye el terminal, Alemania quedará relegada en la competencia del tráfico europeo y saldrá el último de la clase. Además – esto no lo dicen – son ellos mismos los primeros beneficiados del proyecto ya que les tocará construir el terminal archimillonario. La clase política de Berlin vocifera contra un pueblo, según ellos, desorientado, minoritario o cortoplacista que no acepta los procedimientos prevista por la democracia parlamentaria. Un referéndum posterior sobre el proyecto es lo que a ellos parece ser el inicio del fin de la democracia parlamentaria.
Por ahora las dos partes han aceptado un mediador. Heiner Geissler es un político retirado, que pertenecía al ala social de la democracia cristiana y que hace dos anhos, a sus casi 80 anhos, hizo público su adhesión al movimiento crítico a la globalización ATTAC. Un primer logro es que las dos partes han accedido a conversar – en público y transmitido por Internet y televisión.
Vamos a ver si la ama de casa suaba logra tumbar el terminal del siglo XXI.

lunes, 11 de octubre de 2010

Mario Vargas Llosa und die Menschenrechte


Hier ein Artikel über eine nicht so bekannte Seite des frisch gekürten Literaturnobelpreisträgers aus Peru.....

Mario Vargas Llosa und die Menschenrechte in Peru

Nobelpreisträger hat zuletzt immer wieder Einfluss genommen =

Von Hildegard Willer (KNA)

Lima (KNA) Ganz Peru jubelte am 7. Oktober, als die Vergabe des
Literaturnobelpreises an Mario Vargas Llosa bekanntgegeben wurde.
Auch Staatspräsident Alan Garcia zeigte sich stolz und erfreut über
Perus berühmtesten Schriftsteller der Gegenwart. Dabei dürfte sich
Garcia an manch eine Episode erinnert haben, in der Mario Vargas
Llosa ihn mit erhobener Feder an die Verpflichtung zu einer
schlüssigen Menschenrechtspolitik erinnerte.

Vor 20 Jahren waren die beiden gar Konkurrenten um das höchste
politische Amt im Staate. Vargas Llosa strebte damals als Kandidat
der Rechtsliberalen die Ablösung des Präsidenten Garcia an. Peru
galt zu dieser Zeit wegen seiner immensen Inflation und des
Bürgerkriegs als «Unberührbarer» unter den lateinamerikanischen
Staaten. Vargas Llosa verlor die Wahl gegen den wenig bekannten
Alberto Fujimori - und widmete sich wieder der Schriftstellerei.

20 Jahre später, im Oktober 2010, geht Garcias neuerliche Amtszeit
als Staatspräsident dem Ende zu; sein Vorgänger Fujimori sitzt wegen
Menschenrechtsvergehen im Gefängnis, und Peru arbeitet seine jüngste
Geschichte der Gewalt auf. Aus dem Ausland hat sich Vargas Llosa
immer wieder in die Diskussion um die Aufarbeitung des peruanischen
Bürgerkrieges in den 80er Jahren eingemischt.

Als 2003 die peruanische Wahrheitskommission in ihrem Bericht
offenlegte, dass 70.000 Peruaner entweder von Militär und Polizei
oder von der maoistischen Terrorgruppe «Leuchtender Pfad» getötet
wurden, warfen den Militärs nahestehende Kreise der
Wahrheitskommission politische Einseitigkeit vor. Vargas Llosa, bis
dahin wegen seines wirtschaftsliberalen Credos von vielen Linken
angefeindet, verteidigte den Bericht der Wahrheitskommission in
seiner wöchentlichen Kolumne in der spanischen Tageszeitung «El
Pais», und stieß weltweit auf Interesse.

Im April 2009 kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, wie an
die Opfer des Bürgerkriegs erinnert werden solle. Angestoßen hatte
die Diskussion die ehemalige deutsche Entwicklungshilfeministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Sie bot an, ein Museum der
Erinnerung in der Hauptstadt Lima mitzufinanzieren. Aus der seit
2005 amtierenden Garcia-Regierung war zu hören, Peru brauche keine
Museen, sondern Geld für die Armen. Wieder einmal griff Vargas Llosa
zur Feder und mahnte, die Erinnerungskultur und die Erfüllung der
Grundbedürfnisse dürften sich nicht ausschließen. Ein Einwurf mit
politischen Folgen: Sein ehemaliger Konkurrent Garcia nahm das
deutsche Geschenk an und berief Vargas Llosa - zähneknirschend? -
sogar zum Vorsitzenden der Kommission zur Errichtung der
Gedenkstätte.

Im November 2009 wurde das Gelände eingeweiht; der Grundstein sollte
bald gelegt werden - bis es vor einigen Wochen zum Eklat kam.
Auslöser war eine Gesetzesvorlage der Regierung. Sie sah eine
Amnestie für Polizisten und Militärs vor, die wegen
Menschenrechtsverbrechen vor Gericht standen und nicht innerhalb des
vorgesehenen Zeitraums abgeurteilt wurden. Proteste gegen das
umstrittene Gesetz blieben nicht aus: Die nationale Ombudsstelle,
die Peruanische Bischofskonferenz und die Interamerikanische
Menschenrechtskommission äußerten ihre Besorgnis. Aber erst nachdem
Vargas Llosa in einem Offenen Brief an Garcia seinen Rücktritt vom
Vorsitz zur Errichtung der Gedenkstätte verkündet hatte, nahm der
Präsident das Gesetz zurück.

Das peruanische Volk hat Vargas Llosa vor 20 Jahren nicht gewählt.
Sein moralischer Einfluss als erster peruanischer Nobelpreisträger
auf die Politik seines Landes dürfte heute jedoch stärker sein als
die aller Politiker.

mit/jug/brg/

miércoles, 14 de julio de 2010

Peruanisch-brasilianische Stromrechnung



Die Geschichte zweier Präsidenten, die ihre Stromrechnungen ohne ihr Volk aufgemacht haben


Gross und massig schaut der eine väterlich auf den kleinen Kollegen mit dem grauen Vollbart hinab. Das tatsächliche Machtverhältnis zwischen Peru und Brasilien ist gegenläufig zur Statur ihrer Regierungschefs. Brasilien, vom klein gewachsenen Ignacio Lula de Silva geführt, ist die aufstrebende Grossmacht Amerikas, die den Takt vorgibt. Das Nachbarland Peru, vom fast 2 Meter grossen und mit dem Alter auch in die Breite gegangenen Alan García regiert, ist gegen Brasilien noch ein Entwicklungsland, das dank des weltweiten Rohstoff-Booms auf der Wachstumswelle mitschwimmt. Seinen Rohstoffen ist es auch zu verdanken, dass Brasilien und Perus Präsidenten so viel Wohlgefallen aneinander finden.

Angeblich soll Alan García den Vorschlag gemach haben. Das flache Brasilien müsse sein Wasser künstlich stauen, um Strom für seinen steigenden Bedarf zu erzeugen. Peru dagegen habe die Anden, das Wasser falle sowieso. Brasilien könne doch in den östlichen Andenabhängen Perus Wasserkraftwerke bauen, und den Strom dann aus Peru importieren. Zudem noch ein sauberes, umweltfreundliches Geschäft, zählt doch die Wasserkraft zu den erneuerbare Energieträgern. Die Studien lägen auch schon vor. In den 70-er Jahren, im Banne des ersten Erdölsboykotts der arabischen Staaten hatte die GTZ im Auftrag der Salzgitter AG sechs peruanische mögliche Standorte für Wasserkraftwerke abgeklärt. Die Gutachten lagen seitdem in der Schublade des Ministeriums und wurden flugs wieder herausgeholt.

Noch im Dezember 2009 reiste Lula nach Lima und unterzeichnete eine Absichtserklärung für ein brasilianisch-peruanisches Energieabkommen. Während die beiden Amtsträger sich in der peruanischen Hauptstadt als neue Integrationsträger Lateinamerikas feierten, gingen die Menschen in Puno auf die Strasse.

Brasilenhos fuera!

Die kleine Stadt Mazuko liegt am Kreuzungspunkt der Departamente Madre de Dios, Cusco und Puno. Auf der neu erbauten Schnellstrasse „Interoceánica“, die Brasilien und Peru und damit auch den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean verbindet, ist man hier in vier Stunden an der brasilianischen Grenze, und in weiteren zwei Stunden in Cusco. Nach Puno, der Stadt am Titicacasee, braucht der Bus dagegen noch 12 Stunden, wenn es regnet auch länger. Die Strasse, der vom Tiefland auf 4000 Meter hoch ruckelt, ist noch nicht asphaltiert. Soll es aber bald sein – wenn das nicht das neue Wasserkraftwerk dazwischen gekommen wäre. Beim Dorf San Gabán auf halber Strecke zwischen Mazuko und Puno soll der Fluss Inambari gestaut werden, 40 000 Hektar Land sollen dafür überschwemmt werden, damit der fünftgrösste Staudamm Lateinamerikas hier mit brasilianischen Geldern gebaut werden kann. Bis zu 6000 Personen wohnen hier – Kleinbauern und Goldgräber -, die umgesiedelt werden sollen. Und die geplante Strasse, die „Interoceánica“ – die soll auf 35 Kilometern überschwemmt und verlegt werden.
Rosario Linares ist Mitglied der „Sociedad Civil por la construcción de la Carretera interoceánica” SOCIT in der Departamentshauptstadt Puno und erbost darüber, dass Puno damit von den Segnungen des neuen Handelsweges abgeschnitten sein wird. Noch erboster ist sie und die gesamte Bevölkerung Punos allerdings darüber, dass Lima wieder einmal über ihre Köpfe hinweg bestimmt hat. Eines Tages erschienen die Ingenieure der neugegründeten Betreiberfirma EGASUR – hinter der sich die brasilianischen Grossfirmen Eletrobrás, Furnas und OAS verbergen – in den Dörfern um San Gabán und teilten der Bevölkerung mit, dass auf ihrem Land der grösste Staudamm Perus gebaut werden soll. Das Ministerium in Lima hatte die Konzession ohne Rückfrage mit den Betroffenen vergeben. Sie hatte sie, die Punenhos wieder mal verkauft, noch dazu an das Ausland. An Brasilien.
Schnell war im ohnehin nicht konfliktscheuen Puno das Thema „Inambari“ in aller Munde. „Brasilianer raus“ war auf den Hauswänden der von der Umsiedlung bedrohten Dörfer Lechemayo, Loromayo und Puerto Manoa zu lesen.. Während Lula und García in Lima ihre Absichtserklärung unterzeichneten, riefen die Punenhos zum Protestmarsch gegen Inambari, gegen den Entschluss der Zentralregierung und gegen den Ausverkauf an Brasilien auf.

Besuch des Hofstaates

Dabei hatte der Deal zwischen Lula und García gar nicht so schlecht augesehen. Brasilien baut mit eigenem Geld die für Peru unerschwinglichen Wasserkraftwerke auf peruanischem Boden– zuerst war von 6 Stück dei Rede – und betreibt sie. Peru hat Exporterlöse, kann seine eigene Energienachfrage bedienen und bekommt am Ende die Infrastruktur übereignet.
Dies sollte man doch auch den Bewohnern Punos erklären können, dachte der für die Stromerzeugung zuständige Vizeminister Daniel Cámac und machte sich auf den Weg nach San Gabán. Sein Besuch in San Gabán geriet zum Gesellenstück dafür, dass die Beziehungen zwischen der Hauptstadt und den Provinzen in Peru immer noch koloniale Gesichtszüge aufweisen.
Als der Vizeminister samt Beamtenapparat aus Lima in ihren Geländewagen in San Gabán ankam, wartet die Bevölkerung bereits auf dem Fussballplatz des Dorfes. Von der Tribüne herab sprach der Vizeminister vor allem darüber, dass er eigentlich noch gar nichts sagen könne, weil die entsprechenden Gutachten noch nicht vorlägen. Verantwortlich für die Gutachten sei das brasilianische Unternehmen. Das Publikum reagierte mit harscher Kritik und verbaler Aggression, wie sie in Puno gang und gäbe ist. Der Vizeminister bekam Angst vor seinem eigenen Volk und trat den Rückzug an. Noch bevor er alle Fragen beantwortet hatte, war er, umgeben von seinen Sicherheitsleuten, in seinem Geländewagen wieder abgebraust. Anstatt Fragen zu klären und in einen Dialog zu treten, hatte er die lokale Bevölkerung erst recht gegen sich aufgebracht.

Der fehlende Dialog zwischen Zentralregierung und lokaler Bevölkerung ist typisch für viele sozialen Konflikte, die die peruanische Gesellschaft ausserhalb der Hauptstadt heute prägen. Trotz vor 10 Jahren eingeleitetem Dezentralisierungsprozess, werden Konzessionen zur Ressourcenausbeutung weiterhin unilateral in Lima vergeben. Der auch von Peru unterzeichnete Artikel 169 der ILO-Konvention, der die vorherige Konsultation der indigenen Bevölkerung vorschreibt, wurde in Peru bisher nicht umgesetzt. Erst nach dem Massaker in Bagua am 5. Juni 2009, bei dem 22 Polizisten und 10 Zivilisten ums Leben kamen, kam eine Gesetzesvorlage über eine „consulta previa“, also der gesetzlich vorgeschriebenen Einbeziehung der lokalen, vor allem indigenen Bevölkerungm bei der Entscheidung über Rohstoffkonzessionen vors peruanische Parlament.


Schützenhilfe aus Lima

Im Februar 2010 schalteten sich die landesweit tätigen Umwelt-NGOs aus Lima in die Energiedebatte ein. In einem ersten öffentlichen Kommunique bemängelten sie vor allem die fehlende öffentliche Debatte und die Eile, mit der die peruanische Regierung das Energieabkommen mit Brasilien durchpeitschen möchte. Sie weisen darauf hin, dass Peru keinen nachhaltigen Entwicklungsplan für sein Amazonas-Becken hat, dass der Vertrag mit Brasilien zum Nachteil Perus geschlossen wird - indem die Energie ins Ausland verkauft wird, die das Wachstumsland Peru selbst benötigen wird. Die Umweltgefahren, die von Grossstaudämmen ausgehen, seien zudem gross: die Zerstörung der Biodiversität, aber auch die Erhöhung der Treibhausgase durch die Überflutung spricht der Mär von der „sauberen Energie“ Hohn.

Alle Einwände nutzte nichts. Der Energiehunger Brasiliens und der Wunsch Präsident Garcías, vor Ablauf seiner Amtszeit als Präsident der südamerikanischen Integration in die Geschichtsbücher einzugehen, waren stärker. Am 16. Juni unterzeichneten Lula und García in Manaos das Energieabkommen. Darin wird der Bau von Staudämmen zur Erzeugung von 6000 Megawatt Strom festgelegt. Peru verpflichtet sich damit, über 30 Jahre hinweg , mit Brasilien seinen Stromüberschüssen zu beliefern. Für Brasilien, das eben den Bau eines Megastaudamms zur Erzeugung von 10 000 Megawatt in Belo Horizonte, genehmigt hat, sind die peruanischen Staudämme mit je höchstens 2000 Megawatt nicht der Rede wert. In Peru jedoch fängt die Debatte darüber, welche Entwicklung für das Amazonasbecken wünschenswert ist und welches die Rolle der indigenen Völker dabei ist, jetzt erst an. Wenige Tage nach Unterzeichnung des Energieabkommens hat die peruanische Regierung Einspruch gegen das Gesetz der „vorherigen Konsultation“ erhoben. Die Regierung sperrt sich vor allem gegen ein mögliches Vetorecht der lokalen Bevölkerung bei der Ressourcenausbeutung.

Vizeminister Daniel Cámac beteuert zwar immer wieder, dass der Staudamm nur mit Zustimmung der Bevölkerung gebaut werden wird. Indes hat die Regierung ob ihres intransparenten Vorgehens bei der lokalen Bevölkerung kaum noch Glaubwürdigkeit. Dazu passt auch, dass sie eben die Genehmigung für die Gesellschaft EGASUR verlängert hat, ihre Studien fertig zustellen. Dies bedeutet nichts anderes, als dass das brasilianische Konsortium nun alle Anstrengungen daran setzen wird, die betroffene Bevölkerung in San Gabán– ca. 6000 Menschen – davon zu überzeugen, dass sie ihrer Umsiedlung zustimmen.

Ein Ende der Auseinandersetzung ist nicht abzusehen, schon gar nicht angesichts der bevorstehenden Kommunal- und Präsidentschaftswahlen. In Puno hört man des öfteren die Befürchtung, dass Inambari zu einem zweiten „Bagua“ werden könnte, dass es zu massiven Gewaltausschreitungen kommen könnte, wenn die Regierung nicht von ihrem Vorhaben ablässt.

Lula und García lassen sich davon – noch nicht – ihre gute Laune verderben. Vielleicht aber hat der brasilianische Präsiden gespürt – es wäre zu hoffen - , dass die Expansionsbestrebungen Brasiliens vielleicht auf das Wohlgefallen der Amtskollegen stossen. In den Augen vieler Peruaner jedoch nimmt das ehemals mit Samba und Fussball assoziierte Nachbarland immer mehr die Züge einer imperialistischen Grossmacht an, welche den Nachbarländern die Bedingungen diktiert.

(erschien gedruckt in ila Juli/August 2010)

lunes, 5 de julio de 2010

Landesverweis für langjährigen britischen Missionar

05.07.2010

Peru: Landesverweis für langjährigen britischen Missionar

Die Infostelle Peru unterstützt das umweltpolitisches Engagement
katholischer Ordensleute in Peru

Der 62-jährige Ordensbruder Paul McAuley soll nach 30 Jahren pastoraler Tätigkeit in Peru des Landes verwiesen werden. Das Mitglied des Ordens der De Lasalle-Schulbrüder erhielt die Anweisung des peruanischen Innenministeriums, binnen 7 Tagen das Land zu verlassen.
Die Informationsstelle Peru e.V. protestiert gegen diese Maßnahme der peruanischen Regierung und weist darauf hin, dass vermehrt kritische Ordensleute in Peru zur Zielscheibe der peruanischen Regierung werden.
Unterstützung für einen langjährigen Missionar
McAuley, ein britischer Staatsbürger, lebt seit 30 Jahren in Peru. Lange Jahre baute er eine Fe y Alegría-Schule in einem Armenviertel der Hauptstadt Lima auf, bevor Paul McAuley vor 10 Jahren im Amazonas-Tiefland eine neue Mission übernahm. In der Provinzhauptstadt Iquitos gründete er einen Verein zum Schutz der Umwelt , „ Red Ambiental Loretana“, und wurde schnell zu einer weit gehörten Stimme gegen die ungezügelte Ausbeutung des Amazonas-Beckens durch Holz-, Erdöl- und Erdgasfirmen. McAuleys Engagement hat wesentlich dazu beigetragen, dass eine Abholzungskonzession 2004 vom peruanischen Verfassungsgericht widerrufen wurde und dass ein kürzlich gefundenes Leck der argentinischen Erdölfirma Pluspetrol publik wurde.
Dieses umweltpolitische Engagement kostet ihm nun die Aufenthaltsgenehmigung: Nach Angaben des Innenministeriums agiert McAuley entgegen seiner Aufenthaltsgenehmigung als katholischer Ordensmann. Durch seine Tätigkeit würde er die Sicherheit des Staates, die öffentliche Ordnung und die Landesverteidigung gefährden. Laut peruanischem Gesetz hat John McAuley nun 7 Tage Zeit, um Peru zu verlassen.
Auch andere Priester und Ordensleute gefährdet
Hintergrund der Ausweisung eines langjährigen verdienten katholischen Missionars ist die Priorität der peruanischen Regierung, die Rohstoffe des Landes ungezügelt und unter Missachtung der Rechte der indigenen Bevölkerung auszubeuten. Immer wieder kommt es deswegen zu gewaltsamen Konflikten – am 5. Juni 2009 kamen bei der Kleinstadt Bagua 33 Menschen bei einem Zusammenstoss zwischen Indigenen und Polizei ums Leben.
Das umweltpolitische Engagement peruanischer Ordensleute und Bischöfe auf der Seite der indigenen und lokalen Bevölkerung ist der peruanischen Regierung dabei ein Dorn im Auge. Mehrmals wurden die Bischöfe Daniel Turley (Chulucanas), José Luis Astigarraga (Yurimaguas) und der Jesuit Francisco Muguiro aus Jaén öffentlich als „falsche Christen“ beschimpft und sogar legal wegen Volksverhetzung angeklagt. Da Astigarraga und Muguiro gebürtige Spanier sind bzw. der US-Amerikaner Turley inzwischen peruanischer Staatsbürger ist, konnte die Regierung sie nicht ausweisen lassen. Gegen den Pfarrer der Gemeinde Barranquita in der Prälatur Yurimaguas, den ialienischen Passionistenpater Mario Bertolini, dagegen läuft ebenfalls ein Ausweisungsverfahren. Mario Bertolini hat sich auf der Seite der Kleinbauern gegen die Vergabe einer Konzession zum Anbau von Agrartreibstoff an die größte Unternehmerfamilie Perus gestellt.

miércoles, 30 de junio de 2010

Warnung: Goldfieber



Peruanisches Hauptland der Biodiversität nennt sich stolz die Provinz Madre de Dios im peruanischen Amazonasbecken, an der Grenze zu Brasilien. Hierher kommen Touristen aus aller Welt um in Öko-Lodges einen Hauch unberührten Urwalds zu erleben, um Papageien, Schildkröten oder ein Ozelot in freier Wildbahn zu sehen. Dass für die Reise nach Madre de Dios eine Gelbfieberimpfung vorgeschrieben ist, erhöht den Reiz des kalkulierten und abgesicherten Abenteuers.
Den meisten Touristen, die in der Hauptstadt Puerto Maldonado ausgerüstet mit den neuesten Überlebens-Gerätschaften aus dem Globetrotter-Katalog eintreffen, bleibt verborgen, dass das eigentliche Fieber, das in Madre de Dios grassiert, nur die Farbe mit dem Gelbfieber gemeinsam hat. Das Goldfieber ist in ganz Peru ausgebrochen, und die abgelegene Selva-Region Madre de Dios ist das wörtliche „El Dorado“ der peruanischen Abenteurer ohne Reiserücktrittsversicherung.
In Madre de Dios arbeiten mindestens 20 000 illegale und kleine Minenarbeiter und erwirtschaften 6% des PIB Perus – all dies im Rahmen der Illegalitaet und auf Kosten der Umwelt.

Lange Zeit hatte die Politik in Lima die Augen verschlossen vor den Umweltverwüstungen des illegalen Bergbaus. Madre de Dios und andere abgelegene Goldabbaugebiete waren Niemandsland, Wilder Westen, wo nur das Recht des Stärkeren gilt, und wo der eine oder andere Hauptstädtler sich insgeheim am Goldboom beteiligte. Bis der erste Umweltminister Perus, Antonio Brack, im Februar 2010 die Sache in Angriff nahm. Ein Regierungserlass, Decreto de Urgencia -012 , verbot die sogenannten „Dragas“, schwimmende Goldgräberfabriken auf den Flüssen, und kündigte die Legalisierung der Schürfrechte und die Zonifizierung des Gebietes an. Während der Erlass in der Hauptstadt und bei Umweltschützern auf Wohlgefallen stiess, löste er in Madre de Dios und in den restlichen informellen Bergbaugebieten Perus tagelange Proteste aus, die 6 Todesopfer forderten.

Ein Augenschein in Huepetue, dem Hauptgoldgräbergebiet in Madre de Dios, mag veranschaulichen, worum es in diesem Streit geht.

Unterwegs nach Huepetue


In Mazuko scheidet sich der Weg zwischen der neuen Interoceánica, die ins peruanische Hochland führt, und dem Weg ins Niemandsland. Nach Huepetue, das grösste Goldgräbergebiet in Madre de Dios, gefürchtet und berüchtigt. Am Flussufer des Inambari herrscht reger Verkehr. Kleine Motorboote bringen die Leute über den Amazonas-Zufluss, um von dort eineinhalb Autostunden nach Huepetue weiterzufahren. Name und Ausweisnummer werden gewissenhaft in ein altes Schulheft eingetragen, bevor die Fahrt im windschiefen Boot losgeht, „für den Fall, dass jemand ertrinkt“, lautet die Auskunft. Im Boot junge und ältere Männer mit indianischen Gesichtszügen, das heisst, sie kommen aus dem Hochland Perus. Hier fahren keine ausländischen Touristen und Journalisten sind auch nicht willkommen. Mein Gegenüber im Boot, ein sehniger, kleiner Mann um die 50 taut erst auf, als ich ihm versichere, dass ich weder eine „ambientalista“ also Umweltschützerin sei, noch einer ONG angehöre. Erst als ich ihm erzähle, dass ich, wie er, auf der Suche nach einem Goldkorn bin, nämlich nach einer Story, die ich verkaufen kann, tauen seine Mundwinkel auf. Nicht eigennützige Motive sind hier per se verdächtig.

Am anderen Ufer, wartet eine Reihe von Toyota-Pick-Ups, um die Goldgräber nach Hupetue zu bringen. Eineinhalb Stunden rumpeln die Geländewagen durch grüne Landschaften, bis sich auf einmal eine Wüstenlandschaft auftut. „ Hier beginnt Huepetue, das Goldgräbergebiet“, sagt mein Mitfahrer Alonso, ein 20-jähriger Mann aus einem Dorf bei Cusco, der nun schon zum zweiten Mal ins Tiefland kommt, um „irgendwo ganz hinten“ nach Gold zu graben. Da wo ihm die Goldbarone ein Stückchen Erde zum Goldwaschen abgeben.
Der Fluss Huepetue existiert nicht mehr. Statt seiner fahren wir durch eine kilometerlange Kies- und Lehmgrube, durch die sich kleine Rinnsale drängen, die einstmals den Fluss ausmachten.

Das Gold wird von den Flüssen die Anden herabgeschwemmt. Der Flussand und die angrenzenden Ufer bergen den begerten Rohstoff. Goldbergbau in Madre de Dios findet deshalb nicht im Tagebau, sondern am Fluss oder in der Nähe des Flusses statt. Der Fluss- und Ufersand wird umgegraben, angrenzende Wälder werden dazu einfach abgeholzt. 150 000 Hektar Amazonas-Wald sollen für das Gold schon ihr Leben gelassen haben, nach Zahlen des peruanischen Umweltministers.
Auf einer Schütte wird der ausgebaggerte Sand getrennt. Der grobe Kies wird wie Abfall auf einen Haufen getürmt, im Feinsand dagegen finden sich die begehrten Goldsplitter. Dieser wird anschliessend mit Quecksilber (im Verhältnis von mindestens 2:1 Quecksilber zu Sand) vermischt und damit das Gold geschieden.
Wieviel Quecksilber in Madre de Dios unterwegs ist, bereits die Flüsse verseucht und die Gesundheit der Minenarbeiter gefährdet, weiss wohl niemand.


Unter informellen Bergleuten stellt man sich gemeinhin, einen armen Bauern vor, der mit seinem Pickel in einen aufgelassenen Stollen geht, oder mit seiner Schaufel den Flusssand umgräbt. Weit gefehlt. Die sogenannte „mineria artesanal“ in Madre de Dios ist längst schon nicht mehr Handarbeit, sondern in verschiedenen Graden industrialisiert. Die kleinen Bergleute kaufen sich eine sogenannte „Chupadera“, ein dieselgetriebenes handliches Gerät, das den Flusskies ansaugt, auf einen Haufen wirft, wo danach der Feinsand und das Gold geschieden werden. Grosse Investoren – und davon soll es einige geben – betreiben die sogenannten „Dragas“, schwimmende Kiesfabriken, die sich auf den Urwaldflüssen frei hin und her bewegen.
Andere arbeiten mit grossen Lastwagen und Schaufelbaggern. So wie die Goldbarone von Huepetue.

Die Goldbarone von Huepetue

„Die sind nicht gerade gut zu sprechen auf Leute von aussen“, warnt der Bürgermeister von Huepetue, bevor er mich mit einem Taxifahrer losschickt, mein Glück zu versuchen. Ich möchte einen der Goldbarone besuchen. Daniel, der Fahrer des Pick-ups, kennt sie alle persönlich, und will mich zur Familie Huaranho bringen. Auch hier die kilometerlange Fahrt durch Kiesgruben, Flüsse die sich als Rinnsale durch ausgedehnte Lehmwüsten schlängeln, da wo vor nicht langer Zeit Amazonaswald und ein reissender Fluss war. Die Claims hier wurden von Leuten aus dem Hochland bereits vor Jahren abgesteckt. Heute sitzen sie auf ihren Kiesgruben und bewachen ihr Gebiet. Goldgraben ist hier Familiengeschäft. Und einige Familien sind sehr sehr mächtig. Sie wohnen auf ihrer Goldgrube, oft schwer bewacht. Nicht von der Polizei, sondern von ihren eigenen Security-Leuten. Rund herum geschäftiges Treiben von grossen Lastwagen und Schaufelbaggern, die die Erde umgraben. Dennoch wurde vor zwei Wochen das Camp einer der Familien überfallen, 15 Kilo Gold haben die 10 maskierten Räuber entwendet, erzählt Daniel. Das sind immerhin 1,5 Millionen Dollar – damals, denn seit Februar 2010 ist der Goldpreis schon wieder gestiegen.

Wir fahren auf den Kieshügel, von dem aus die Familie Huaranho ihr Goldimperium betreibt. Vor dem Haus stehen mehrere neue Pick-up-Autos. Ansonsten Stille, ich stelle mir vor, dass hinter den Fenstern jemand mit einem Gewehr lauert, um ungebetene Besucher zu verscheuchen. Daniel geht voraus, um mit Herrn Huaranho zu sprechen. Zerknirscht kommt er nach ein paar Minunten zurück. „Ausgeschimpft haben sie mich, wie ich es wagen könne, Leute von aussen hierherzubringen“. Daniel fürchtet, dass er bei den Goldbaronen nun in Ungnade gefallen ist, und nicht mehr für Fahrdienste gerufen wird. Hier sind alle von den grossen Familien abhängig.

Wir machen einen letzten Versuch bei Cecilio Vaca. Der legendäre Cecilio Vaca, kam als einfacher Soldat aus Cusco vor 60 Jahren in die Gegend und besitzt heute eines der informellen Goldimperien von Madre de Dios. Das andere gehört seiner Ex-Frau La Goya, gefürchtet in der Gegen ob ihrer Härte, erzählt Daniel. Cecilio Vaca dagegen war lange Jahre Bürgermeister von Huepetue und hat, trotz seiner fast 80 Jahre, immer noch politische Ambitionen. Das ist auch der Grund, warum er mich nicht so grob abblitzen lassen kann, wie die anderen Goldbarone. Ich überrasche ihn beim Essen auf seiner Veranda auf seinem Kiesberg. Ein alter Mann, krank sei er , sagt er und wisse deswegen kaum etwas. Ja, das neue Dekret der Regierung. Jahrzehntelang waren die Goldgräber hier ungestört, haben keine Steuern bezahlt, ganz zu schweigen von Umweltabgaben.Dass es nicht so bleiben kann, wissen sie auch, aber die „ambientalistas radicales“ um Umweltminister Brack sollen zumindest nicht gewinnen. In den Worten von Cecilio Vaca klingt das Wort „ambientalista“ – Umweltschützer -, wie „terrorista“.

Wir fahren wieder über Mondkraterlandschaften zurück in den Hauptort Hupetue. Dort boomt das Geschäft. Auf der nicht asphaltierten Hauptstrasse reihen sich nagelneue Pick-up-Autos hintereinander. Die Geschäfte bieten neue Dieselmotoren für die „Chupaderas“an, die beiden Telefongesellschaften Telefónica und Claro wetteifern um die zahlungskräftige Kundschaft. Die Goldankaufstellen in Huepetue gleichen gut ausgestatteten Bankfilialen, mit Klimaanlage und Polstersesseln für die Kundschaft. In der Filiale von „Invergold“, einer Goldaufkaufkette aus Cusco, zeigt mir der Angestellte einen kleinen Klumpen Rohgold. 150 Soles will er dafür, 40 Euro, dabei reicht das nicht einmal für ein winziges Schmuckstück. Die Menge gold, die gerade für einen Ring reichen würde, kostet 600 soles, Vorzugspreis in Huepethue. Der staatliche Minimallohn in Peru liegt bei 500 Soles – monatlich.

Im Pick-up-Taxi, das mich nach Mazuko zurückbringen soll, komme ich mit meinem Sitznachbarn ins Gespräch, ein rund 40-jähriger rundlicher Mann, der eine Aktentasche an sich klammert. Umsonst habe er die weite Reise von Puerto Maldonado gemacht, sagt er. Er sei Vertreter für Baumsamen, die verkaufe er an Aufforstungsprojekte. Jemand hatte ihm gesagt, in Huepetue bestünde dafür Bedarf. Der Bürgermeister habe ihn aber zuerst nicht empfangen wollen und schliesslich gesagt, solange es hier Gold gäbe, werde in Huepetue umgegraben und keine Bäumchen gepflanzt.



Wer gewinnt ?


Nach dem Protest der informellen Bergleute in Peru hat die Regierung einen Runden Tisch in Puerto Maldonado eingerichtet. Dort sitzen die Vereinigungen der Bergleute zusammen mit der Regierung, um sich über die zukünftige Zonifizierung der Region abzustimmen und die Formalisierung ihrer Geschäfte. Immerhin entgehen dem peruanischen Staat an die 15 Millionen US-$ an jährlichen Steuern, ganz zu schweigen von den Umweltschäden, und der Spirale der Gewalt, die das illegale Geschäft mit sich bringt. Auf der anderen Seite stehen bis zu 60 000 informelle Bergleute (einige sprechen sogar bis zu 80 000), die sich ihre Körnchen vom globalen Goldboom ergraben wollen, und die ohne den Bergbau als Subsistenzbauern oder unterbeschäftige Städter ein karges Dasein fristen. Ganz zu reden von der Wertschöpfungskette der Händler und Zwischenhändler.

Ein alternativer Lösungsansatz könnte in der Förderung formaler Genossenschaften von Bergleuten bestehen und in der Herstellung ethisch unbedenklichen Goldes. Es existieren bereits alternative Technologien, die kein Quecksilber verwenden, um das Gold zu scheiden. Eine einfache und friedliche Lösung, wie mit dem Problem des illegalen Bergbaus in Zeiten des Goldbooms umgegangen werden kann, ist nicht abzusehen. Gegen Gelbfieber gibt es einen Impfstoff. Gegen das Goldfieber dagegen ist noch kein Kraut gewachsen.
(erschienen gedruckt in ila Juni 2010)