martes, 25 de octubre de 2011

Susana Baca als Kulturministerin

Madame Inklusion

Von Hildegard Willer (KNA)
Lima (KNA) Das Schlagwort von der "Inklusion" macht in Peru die Runde, seit der Linksnationalist Ollanta Humala Präsident ist. Die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Einbeziehung bisher ausgegrenzter Bevölkerungsschichten soll ein Schwerpunkt seiner Regierung werden. Die Sängerin Susana Baca will ihm dabei helfen. Denn die Diskriminierung als schwarze Peruanerin hat die 67-Jährige am eigenen Leibe erlebt. "Kein Kind soll jemals wieder in Peru mit diesen Erfahrungen aufwachsen müssen", meint sie.
"Du bist die Inklusion in Person, du musst zusagen", habe der Präsident zu ihr gesagt - und Susana Baca sagte Ja. Seit Juli ist sie nun Kulturministerin ihres Landes. Die elegante Frau mit dem kurzen schwarzen Kraushaar ist damit die erste schwarze Ministerin Perus. Das ist für das immer noch von kolonialen und rassistischen Mentalitäten geprägte Andenland eine kleine Sensation.
Dabei ist Susana Baca die wohl bekannteste peruanische Sängerin der Gegenwart. Ihre Neukreationen traditioneller afro-peruanischer Rhythmen und Melodien haben ihr zu einem festen Platz in der Weltmusik-Szene verholfen; sie ist gern gesehener Konzertgast auch auf europäischen Bühnen. Das wurde ihr zu Beginn ihrer Amtszeit als Kultusministerin fast zum Verhängnis.
Obwohl sie das Amt unter der Bedingung antrat, ihre für Herbst zugesagten Konzertengagements im Ausland erfüllen zu können, nahm ihr die peruanische Öffentlichkeit ihre Abwesenheit übel. Die Opposition bemängelte über die Medien, Susana singe, statt ihre Arbeit zu machen. Ihre für November geplante Tournee hat sie nun abgesagt. Sie werde sich ab jetzt voll auf ihre Arbeit als Ministerin konzentrieren.
Und damit hat sie alle Hände voll zu tun. Das Ministerium ist erst ein Jahr alt und muss noch noch um Anerkennung und Budget kämpfen. So gehört zu Bacas neuen Aufgaben der Schutz von Ausgrabungsstätten. "Ganz Peru ist voll von prähispanischen Heiligtümern. Das ist unser Gedächtnis", begeistert sich die Neupolitikerin. Allzuoft sind die Denkmäler bereits von Grabräubern besucht worden, bevor sich der peruanische Staat um die Stätten kümmert. Eine weit heiklere Aufgabe steht ihr mit der Umsetzung des neuen Gesetzes zur Konsultation indigener Völker ins Haus.
Bacas Staatssekretariat für Interkulturalität soll den Dialogprozess zwischen Regierung und Investoren einerseits und indigenen Gemeinschaften andererseits führen. Im August hat der peuranische Kongress ein Gesetz verabschiedet, das die Regierung zwingt, die indigenen Völker vor der Durchführung von Projekten auf ihrem Territorium zu konsultieren. Damit soll den mehr als 200 sozialen Konflikten die Spitze genommen werden. Was denn vorgesehen sei, wenn sich die Indigenen und die Regierung nicht einigen könne? "Sie müssen sich einigen, es geht gar nichts anders", ruft Baca emphatisch. "Wir brauchen Wirtschaftswachstum, um die Armut bekämpfen zu können."
Im Januar will eine Komission aus mehreren Ministerien die Umsetzungsverordnung vorlegen. Darauf warten viele indigene Gemeinschaften im Amazonasgebiet und in den Anden, die erfahren, dass auf ihrem Land Gold, Kupfer oder Erdöl gefördert werden oder ein Wasserkraftwerk oder eine Straße gebaut werden soll.
Susana Bacas später Wechsel in die Politik hat ihr Leben umgekrempelt. "Vorher habe ich viermal in der Woche mit meinen Musikern geprobt", erzählt die Ministerin. Nun wird sie morgens vom Chauffeur abgeholt und arbeitet im achten Stock des bunkerartigen Nationalmuseums, einem architektonischen Erbe des Kalten Krieges. Etwas verloren wirkt die kleine Frau dort, umgeben von sechs Telefonen und mit der Aussicht auf die Skyline von Lima. Obwohl sie sich ganz ihrer neuen Aufgabe widmet, wie die Ministerin betont, werde die Musik ihr Leben bleiben. "Zwei Stunden pro Woche möchte ich mir irgendwie fürs Üben abzwacken. Das darf ich doch noch als Ministerin, oder?"
(Quelle: KNA)

miércoles, 19 de octubre de 2011

Mutige Fahrradfahrer im Verkehrsdschungel Limas

Verkehrsschild zur gegenseitiger Vorsicht in Lima / Carlos Caicedo, Flickr
Noch werden sie wie seltsame und unerwünschte Verkehrsteilnehmer betrachtet. Doch langsam wächst in Lima die Gruppe der Fahrradfahrer. Schließlich bietet die peruanische Hauptstadt gute Bedingungen dafür – gäbe es nicht die vielen Autos.
„Mir sagte ein Polizist, ich dürfe hier nicht Fahrradfahren auf der Straße, weil es keinen Fahrradweg gibt“, sagt José, ein rund 25-jähriger großgewachsener Mann. „Ich solle dafür ins Nachbarviertel Miraflores gehen“. Dubert Diaz, ein Biologie-Lehrer weiß von ähnlichem Unverständnis zu erzählen, wenn man in der peruanischen Hauptstadt mit dem Fahrrad unterwegs ist. Er machte einen Ausflug mit seiner Schulklasse zum etwas außerhalb von Lima gelegenen Heiligtum von Pachacamac. Die Schüler durften zwar die Inka-Stätte besuchen, ihre Fahrräder mussten sie allerdings draußen parken, obwohl der Auto-Parkplatz fast leer war.
Von Autofahrern abschirmen
Jeder, der in der peruanischen Hauptstadt mit dem Fahrrad unterwegs ist, kann von solchen Erlebnissen berichten. José, Dubert und acht weitere Vertreter der und 50 Fahrrad-Gruppen in Lima sind zum Treffen der Fahrrad-Aktivisten gekommen. Sie wollen eine Protestfahrt organisieren und der Oberbürgermeisterin ein Manifest überreichen. Zehn Leute sind nicht viel, aber vor fünf Jahren gab es in Lima noch gar keine Gruppen. Erst in jüngster Zeit bilden sich immer mehr Gruppen von Fahrradfahrern in Lima. Die meisten haben entweder sportliche Ambitionen, wie Dubert, der gerne mal mit dem Fahrrad an einem Wochenende 3.000 Höhenmeter überwindet. Oder sie benutzen das Fahrrad zum Freizeitvergnügen, organisieren gemeinsame Ausflüge. Bei denen fahren dann, wie bei einem Schulausflug, Lotsen mit, die die Fahrradfahrer vor den Autofahrern abschirmen.
Ideale Stadt zum Fahrradfahren
Die wenigsten sehen im Fahrrad ein alltägliches Verkehrsmittel ist, mit dem man in der Stadt einfach von A nach B gelangen kann. Dabei wäre Lima die ideale Stadt für Fahrradfahrer: Es regnet nie, die Stadt ist eben, der Wind vom nahen Pazifik hält sich in Grenzen, und die Temperaturen sind auch eher gemäßigt.
Carlos Caballero ist einer der wenigen Limenhos, die jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. 30 Kilometer legt er dabei jeden Tag zurück. Der größte Feind beim täglichen Fahrradfahren sind dabei die Autofahrer. „Mir haben sie schon alles mögliche gesagt, dass ich verrückt sei, dass ich zum Radfahren in den Park gehen soll, dass ich auf dem Gehweg fahren soll“. Der 42-jährige Softwareentwickler ist dennoch von den Vorteilen des Fahrrads als alltägliches Verkehrsmittel überzeugt.
Auf einer Website (www.cicloviasdelima.org) hat er die 125 Kilometer vorhandenen Fahrradwege in Lima aufgezeigt, und kämpft dafür, dass es mehr werden. 125 Kilometer sind viel zu wenig für eine Acht-Millionen-Stadt, in der sich im Zuge des Rohstoffbooms immer mehr Autos die Straße streitig machen.
Oberbürgermeisterin als Verbündete
Eine Verbündete haben die Fahrradaktivisten in der neuen Oberbürgermeisterin Susana Villarán. Die hat kurzerhand eine Hauptverkehrsstraße jeden Sonntagvormittag sperren lassen für den Autoverkehr, damit die Radler ungestört fahren können. Vorbild sind für Susana Villarán dabei Bogotá oder México D.F. , in denen das Fahrradfahren seit Jahren auch von offizieller Seite gefördert wird.
Die Hauptgefahr für Fahrradfahrer in Lima geht allerdings von den Autofahrern aus. Auf Limas Straßen gilt das Recht des Stärkeren, und stärker fühlt sich derjenige, der in einem möglichst großen Auto sitzt. Fahrradfahrer erhalten keinen Schutz von Seiten der Polizei, sie gelten immer noch als „seltene Vögel“ im Verkehrsdschungel von Lima.
Konkret heißt dies: Fahrradfahren in Lima ist lebensgefährlich. Dennoch gewinnt das gesunde und billige Verkehrsmittel gerade bei Jugendlichen der wachsenden Mittelschicht Limas an Attraktivität. Sehr zum Leidwesen ihrer Eltern , die – zurecht – um das Leben ihrer radfahrenden Kinder fürchten. Bis es soweit ist, dass die kleinen Peruaner mit dem Fahrrad in die Schule oder Uni fahren, werden noch einige Jahre ins Land gehen.
(publiziert in: www.blickpunkt-lateinamerika.de)

lunes, 17 de octubre de 2011

Kaffee mit Siegel

Kaffeebauer in Peru / Martin Steffen, Adveniat
Peruaner selbst trinken wenig davon, doch die Deutschen lieben peruanischen Kaffee. Am liebsten fair gehandelt. Über die zukünftigen Bedingungen des Fairen Handels diskutieren die Kaffeeproduzenten heftig.
Wenn man in einem traditionellen peruanischen Lokal eine Tasse Kaffee bestellt, so bekommt man entweder eine Art Parfümfläschchen mit einer dicken, kalten schwarzen Brühe vorgesetzt, die sogenannte Kaffee-Essenz, die man in aller Frühe aufgießt und die danach zu jeder Tageszeit mit heißem Wasser verdünnt werden kann. Oder aber es liegt ein Tütchen Instant-Kaffee von einer der weltweit bekannten Firmen auf der Untertasse. Nicht einmal ein Pfund Kaffee konsumiert ein Peruaner pro Jahr, und davon den größten Teil als Instant-Café. Ein Deutscher dagegen verbraucht pro Jahr elf Kilo Bohnenkaffee .
Auch wenn die Peruaner ihren Kaffee( noch) verschmähen – er ist inzwischen ihr wichtigstes Agrar-Exportprodukt, und Deutschland das wichtigste Exportland für peruanischen Kaffee. 35 Prozent aller peruanischen Kaffeeexporte enden in einer deutschen Tasse.
Für jeden Geschmack etwas
Peru ist vor allem für seinen organisch angebauten Kaffee bekannt, sagt Julián Aucca von der Kaffee-Kooperative „La Divisoria“ während der landesweiten Kaffee-Ausstellung „Expocafe Peru“, die im Oktober in Lima stattfand. Der Kaffeebauer ist auch gelernter Kaffee-Verkoster und erzählt, warum Peru mit seinen 35 Klimazonen besonders geeignet ist für den Kaffeeanbau am Ostabhang der Anden.
Peru ist führend bei der Produktion von Spezialkaffees, und davon gibt es jede Menge. Bei kaum einem Produkt herrscht ein solcher Wirrwarr an Labeln und Siegeln wie beim Kaffee. Organisch produzierter Kaffee ist nur ein Siegel unter vielen. Da gibt es das vogelfreundliche „birdwatch“ –Siegel, das Rainforest-Abzeichen für Kaffeeanbau, der den Regenwald schützt, dann die verschiedenen Abzeichen für die Güteklasse des Kaffees. Starbucks führt ein eigenes Siegel. Und natürlich das in Deutschland bekannte „Fair trade“-Siegel. All diese verschiedenen Kaffee-Sorten werden als Spezialkaffees oder Gourmet-Kaffees bezeichnet. Die meisten Kaffeebauern in Peru produzieren für mehrere Label.
Streit ums Fairtrade-Siegel
Der Kaffeeanbau liegt traditionell in den Händen von Kleinbauern. 150.000 Familien in ganz Peru leben vom Kaffeeanbau, rund 30 000 sind in Genossenschaften zusammengeschlossen. Einige Genossenschaften sind zu Exporteuren geworden, auch dank des Fairtrade-Labels. Denn dieses Label wird nur an Kleinproduzenten vergeben, schließlich sollen die vom Aufpreis profitieren, den der Käufer zahlt.
Dennoch zeigt sich auch in Peru eine zunehmende Konzentration von Kaffee-Exporteuren. Die zehn größten Kaffee-Trader exportieren 75 Prozent des peruanischen Kaffees. Und nur 20 Prozent der Exporte laufen über Genossenschaften, berichtet Aucca. Über die zukünftigen Bedingungen des Fairen Handels diskutieren die Kaffeeproduzenten heftig.
Gütezeichen „Kleinproduzent“
Um die große Nachfrage nach fair gehandeltem Kaffee in Europa bedienen zu können, hat die Fairtrade Label Organization FLO-Cert mit Hauptsitz Bonn, ihre Bedingungen aufgeweicht, so dass auch private Kaffee-Großhändler Kaffee als fair gehandelt anbieten können. Dagegen protestieren die peruanischen Kaffee-Genossenschaften. Das Fairtrade-Siegel werde damit entwertet und verbessere das Image der Firmen, für die Fairtrade-Kaffee nur ein Produkt unter anderen ist. Die Kaffee-Genossenschaften Lateinamerikas haben deswegen ihr eigenes Gütezeichen „Kleinproduzent“ eingerichtet, erzählt José Rojas, Geschäftsführer der Kooperative Cepicafé.
Wer in Deutschland peruanischen Kaffee trinkt, soll ihn sich nicht nur schmecken lassen, sondern auch nachfragen, wer ihn denn wirklich produziert hat.
(publiziert in: www.blickpunkt-lateinamerika.de)


miércoles, 5 de octubre de 2011

Der Tod der Heiler am Amazonas

Morde an Schamanen beschäftigen Peru

Von Hildegard Willer (KNA)
Lima (KNA) Ihr Amt ist, zu heilen. Und sie starben eines gewaltsamen Todes. Bis zu 14 Schamanen wurden seit 2010 in Peru ermordet, alle im Dorf Balsapuerto im Amazonas-Departament Loreto, drei Bootsstunden vom Städtchen Yurimaguas entfernt im Nordosten des Landes. Jetzt hat der peruanische Staatssekretär für Interkulturalität, Vicente Otta, in Lima eine rasche Aufklärung der Verbrechen angekündigt.
Rund 5.000 Mitglieder zählt das Volk der Shiwa, aus dem die Heiler stammten. Wie alle 13 indigenen Ethnien des peruanischen Amazonasgebietes leben sie unter ärmsten Bedingungen. Schamanen oder Medizinmänner gehören seit jeher zur Kultur Amazoniens, sie verfügen über uraltes medizinisches und spirituelles Wissen. In sieben Fällen wurden die verstümmelten Leichen gefunden, sieben weitere Medizinmänner sollen erschlagen und in den Fluss geworfen worden sein; er trug die Toten fort.
Für die Mordserie macht Staatssekretär Otta den Vorsteher des Dorfes und dessen Bruder verantwortlich. Als Mitglieder einer evangelikalen Gemeinschaft würden sie die traditionelle Kultur der Shiwa als Teufelswerk ansehen und zu deren Ausrottung aufrufen, erklärte Otta in der Hauptstadt Lima. Auslöser der Gewalt sei eine Ankündigung der Schamanen gewesen, sich zu einem Verein zusammenzuschließen.
Amazonas-Experte und UN-Berater Roger Rumrill ist überzeugt, dass eine neue Hexenjagd im Gange ist. "Mit jedem Schamanen, der stirbt, stirbt ein Jahrtausende altes Wissen", sagt er. Rumrill sieht nicht nur religiöse Differenzen als Ursache für die Mordwelle. Die Medizinmänner müssten auch als Sündenbock herhalten für die schlechten Lebensbedingungen.
"Die Kindersterblichkeit im Amazonasgebiet ist sehr hoch, viele Kinder haben Darm- und Bronchialinfekte. Die Schamanen werden spät gerufen, können aber gegen Infektionen nichts ausrichten, ihr Spezialgebiet sind psychosomatische Krankheiten" erklärt Rumrill. Wenn die Kinder stürben, werde den Schamanen die Schuld gegeben - ähnlich wie bei Anklagen gegen Hexen in Europa.
Cesar Llanco ist Pastor der methodistisch-evangelischen Kirche und arbeitet mit evangelikalen Gemeinden im Amazonasgebiet zusammen. Für diese sei "die Auseinandersetzung mit ihrer Herkunftskultur kein Thema". Es sei schwer, die Frage der kulturellen Identität unter evangelikalen Christen Amazoniens überhaupt zu erörtern, meint Llanco. Denn der Übergang zum neuen, christlichen Glauben werde ja gerade als totaler Bruch mit der alten Kultur vermittelt. Deshalb gälten auch traditionelle Riten wie das Kauen von Kokablättern oder der Konsum des halluzinogenen Ayahuasca-Gebräus als teuflisch, so der Theologe.
Dass es zwischen evangelikalen Neubekehrten und traditionellen Heilern zu Gewalt und Mord gekommen sei, hat Cesar Llanco nach eigenem Bekunden allerdings noch nie erfahren. Nur will er erlebt haben, wie Anhänger einer bibelfundamentalistischen Gruppierung zum Sturm gegen die Schamanen und Hexer aufgerufen hätten.
Bisher blieben die gewaltsamen Auseinandersetzungen unter den Bewohnern im fernen, weiten Amazonasgebiet von peruanischen Behörden mehr oder weniger unbeachtet. Dies soll sich unter der seit zwei Monaten amtierenden Regierung unter Staatspräsident Ollanta Humala ändern. "Es darf nicht sein, dass einige Peruaner keinen Schutz des Staates genießen", erklärte Humala. Mit Sonderermittlern in Balsapuerto und mobilen Eingreifteams soll der peruanische Staat nun auch für die Indigenas im Amazonas-Gebiet ein neues Gesicht bekommen.

Wissen und Macht

Vatikan greift in Konflikt um Katholische Universität Perus ein

Von Hildegard Willer (KNA)
Lima (KNA) Wenn ein peruanischer Abiturient die Aufnahmeprüfung für die "Catolica" schafft, ist die Freude bei der Familie groß. Die Päpstliche Katholische Universität Perus, im Volksmund einfach "Catolica" genannt, ist eine der renommiertesten und mit 20.000 Studenten auch größten Universitäten des Landes. Ob die "Catolica" allerdings auch in Zukunft katholisch bleibt und wie dieses Katholisch-Sein auszulegen ist - darüber driften die Meinungen zwischen der Universitätsleitung und dem Vatikan inzwischen weit auseinander.
Der Brief aus dem Vatikan kam für den Rektor der "Catolica", Marcial Rubio, einer Hiobsbotschaft gleich. Mitte August teilte die päpstliche Erziehungskongregation mit, dass die Statuten der "Catolica" in einem Punkt korrigiert werden müssten. Der Großkanzler der Universität würde den Rektor aus einer Dreierliste der Universität ernennen. Großkanzler der Katholischen Universität ist qua Amt der Kardinal von Lima. Dieser heißt seit 1999 Juan Luis Cipriani, ist bekennendes Mitglied des Opus Dei und nutzt seine geistliche Macht immer wieder, um sich in die peruanische Tagespolitik einzumischen.
Die Katholische Universität hingegen ist bekannt für ihre pluralistische, liberale und zuweilen auch linkspolitische Ausrichtung. Der Vater der Befreiungstheologie, der heutige Dominikanerpater Gustavo Gutierrez, hat jahrelang an der Theologischen Fakultät unterrichtet. Heute ist so manch einem katholischen Bischof vor allem ein Dorn im Auge, dass sich einige Professoren zustimmend zur "Pille danach" oder zur Anerkennung gleichgeschlechtlichter Lebensgemeinschaften ausgesprochen haben.
Die Universitätsleitung wirft Kardinal Cipriani vor, dass dieser gar nicht so sehr ideologische, sondern recht materielle Gründe habe, die Vorherrschaft über die "Catolica" zu reklamieren. Der Universität gehört der Grund, auf dem heute eines der größten Einkaufszentren Limas steht. Die Pachteinnahmen sind beträchtlich, und wer die Oberherrschaft über die "Catolica" hat, kann auch über die Verwendung des Vermögens bestimmen.
Kardinal Cipriani wiederum gibt an, dass er die falsche Zielscheibe sei: Er sei nur der Bote des Vatikans in dieser Sache und habe keine persönlichen Interessen. Rückendeckung bekommt er dabei von seinen Kollegen in der Peruanischen Bischofskonferenz, die die "Catolica" in einem Kommunique ermahnten, den Dialog mit dem Vatikan beizubehalten.
Doch die Zeit der Gespräche könnte schon beendet sein. Am 23. September hat die Universitätsversammlung, oberstes Gremium der universitären Selbstverwaltung, Kardinal Cipriani und dem Vatikan den Fehdehandschuh hingeworfen: Sie verkündete, die Korrektur des Vatikans bei der Ernennung des Rektors nicht anzunehmen. Die Universität sei autonom und richte sich nach den peruanischen Gesetzen. Ihre katholische Identität beziehe sie aus ihren Werten und christlichen Prinzipien.
Der Vatikan hat inzwischen angekündigt, einen Visitator nach Lima zu schicken, um den Streit an der "Catolica" zu klären. Der Name dieses Ermittlers und der Zeitpunkt seiner Ankunft sind noch unbekannt. Einst galt Peru als katholisches Stammland Lateinamerikas. Nun könnte dem Vatikan bei seinem Versuch, die katholischen Universitäten auf einen strengeren Kurs zu bringen, ausgerechnet in Peru ein neuer Konfliktherd entstehen.